Als kommunistische Gruppe, die mit dem Begriff „antideutsch“ nie Berührungsängste hatte, haben wir schon diverse Male ausgeführt, warum die Kritik an Kapital und Staat für uns notwendigerweise eine Kritik an den negativen Verlaufsformen dieser Kritik miteinschließt. (1) Die Liste an Texten, die erklärt, warum Antizionismus die politische Form des Antisemitismus ist und warum eine unbedingte Solidarität mit Israel fundamentaler Bestandteil einer kommunistischen Kritik am Staat und seinen konkreten Erscheinungen ist, ist lang und soll an dieser Stelle nicht fortgeführt werden.
Trotzdem können wir feststellen, dass die Erkenntnis dieser Texte irgendwo in der sich radikale Linke nennenden Echokammer nach kurzem Widerhall wieder verschwunden zu sein scheint. Während einerseits die Überreste der Antideutschen die Israelfahne als inhaltsloses Symbol der Distinktion gegenüber anderen Linken zur Schau tragen, verfallen andere ehemalige Antideutsche und Antinationale in eine relativierende Haltung und erklären die bedingungslose Solidarität zu einer „Position zu Israel“, deren Gegenseite beispielsweise beim neuen Präsidenten Chiles angesichts anderweitiger politischer Forderungen nicht mehr als weiter relevant erachtet wird. Beide Seiten können – sofern sie sich überhaupt noch die Mühe machen wollen – mit diesen Verfallsformen der Antisemitismus- und Antizionismuskritik wenig zu der gegenwärtig im Fahrwasser des intersektionalen Antirassismus formulierten Gleichsetzung Israels mit kolonialer Gewalt sagen. Sei es, weil sie das ganze Thema als bereits durchdiskutiert erachten, oder aber, weil sie sowieso kein Interesse mehr an der radikalen Linken haben.
Von außen scheint es dabei so, als wäre die Solidarität mit Israel damit innerhalb der radikalen Linken auf dem Rückzug. (2) Vergessen wird dabei, dass es eine Tradition der Israelsolidarität innerhalb der Linken gab, die viel weiter zurückreicht als das, was gemeinhin als antideutsche Szene gilt. Zwei Akteure dieser Solidarität waren Jean Amery und Claude Lanzmann, Freunde Jean-Paul Sartres und Simone de Beauvoirs. Beide waren bemüht, auf unterschiedliche Art und Weise die Entstehung Israels nach dem Ende des zweiten Weltkrieges innerhalb der zur selben Zeit stattfindenden antikolonialen Befreiungskämpfe zu verorten. Sie sahen Israel nicht als Projekt von weißen Europäer:innen, sondern als Versuch der europäischen Judenheit nach Jahrhunderten voller – von Europäer:innen gegen Jüdinnen:Juden ausgeübter – kolonialer Gewalt in Osteuropa, die schließlich in der Shoah mündete, eine Heimstätte aller Jüdinnen:Juden zu finden, die nicht zuletzt auch eine Heimstätte der jüdischen Opfer der postkolonialen arabisch-islamischen Staatwerdungen wurde.
Wir haben bereits in mehreren Texten und Redebeiträgen Bezug auf diese Tradition genommen (3) und wollen nun – anlässlich des 74-jährigen Bestehens des israelischen Staates – uns gemeinsam mit euch intensiver mit einem der wichtigsten künstlerischen Dokumente dieser Tradition beschäftigen. Aus diesem Grund wollen wir am Sonntag den 22.05. den Film Warum Israel? von Claude Lanzmann schauen, um anschließend über die Eindrücke zu sprechen. Auf Grund der immer noch existenten Pandemie ist die Teilnehmer:innenzahl begrenzt, bitte meldet euch deshalb verbindlich über unsere Mailadresse solariumkgb@riseup.com an.
Mit sonnigen Grüßen,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen
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(1) Zum Beispiel in unserem grundlegenden Text hier: https://antideutsch.org/2020/01/07/kapital-staat-ihre-fetische-und-dieses-deutsche-scheiszland/ sowie in einem Redebeitrag hier: https://antideutsch.org/2020/01/30/im-eingedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-2/
(2) Inwieweit Israelsolidarität immer noch als Dorn im Auge der Bremer Linken ist, kann an den Entwicklungen nach einem Angriff auf uns nachvollzogen werden. Zum Vorfall: https://antideutsch.org/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/ , zur Relativierung des Vorfalls danach: https://antideutsch.org/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/ und zum nicht abnehmenden Gerücht über die Antideutschen: https://antideutsch.org/2021/05/13/statement-zu-hutbuergerinnenwatch-bremen/
(3) Zum Beispiel in unserem Text zu den Vorkommnissen im Mai 2021: https://antideutsch.org/2021/08/10/der-linke-kompromiss-mit-der-herrschaft/ oder aber in einem Redebeitrag hier: https://antideutsch.org/2022/02/04/redebeitrag-vom-27-01-2022/