In Wuppertal demonstrieren autonome Hausbesetzer Seite an Seite mit dem vom türkischen Staat gelenkten Verband Ditib gegen aufmarschierende Neonazis. Mit genau jenem Verband, der die antinationalen Antifaschisten im Nachbarhaus nicht toleriert, weil die dort stattfindenden Aktivitäten ihren religiösen Frieden stören würden. Aus Angst vor der Vereinnahmung durch „islamophobe Rechte“ hat man sich aber entschieden, nicht gegen den religiösen Fundamentalismus aufzubegehren, sondern um des lieben Friedens willen mit ihm gemeinsam Tür an Tür zu leben.
Im Osten der Ukraine posieren vermummte russische Rechtsextremisten stolz vor einer roten Fahne, auf die noch schnell das Wort »Antifa« draufgepinselt wurde. Keine zehn Kilometer entfernt kämpfen im Freiwilligenbataillon »Azow« ukrainische Antifaschisten gemeinsam mit jenen Rechtsextremisten, die sie vor einigen Monaten noch durch Kiew gejagt hatten. Und in Deutschland demonstrieren Antifaschisten gegen die faschistische Reaktion ausgehend von der NATO, den USA sowie der EU. Genosse Putin gilt dagegen in diesen Kreisen als wackerer Antifaschist.
Vor zehn Jahren marschierten Neonazis mit einem Transparent durch die Straßen, auf dem die Organisierung einer „nationalen Antifa“ gefordert wurde, gemeinsam mit ihren Volksgenossen aus dem Kameradschaftsspektrum. Und noch weitere zehn Jahre zuvor zeigten zu Antifaschisten erzogene Zonenkinder, was sie davon hielten, wenn ihr Internationalismus einmal wirklich auf die Probe gestellt wird: anstatt den Menschen aus den sozialistischen Brüderländern solidarisch zur Seite zu springen, fackelten sie Ihnen kurzerhand das Dach über dem Kopf ab.
Antifaschismus früher …
Willi Münzenberg, der »rote Millionär«, berichtete einmal über eine Begegnung aus dem deutschen Alltag Anfang der dreißiger Jahre: „Kürzlich kam eine Reihe von Jungen der Hitlerjugend zu mir und sagten: ‚Heil Willi, wir waren KJ, und wir denken heute noch so, aber wir sind zu den Nazis gegangen, weil sie dasselbe wollen und es schneller machen werden!‘ “* Zur gleichen Zeit wandten sich kommunistische Jugendliche an Karl August Wittfogel: „Genosse Wittfogel, die Partei unterrichtet uns nicht über die Juden und den Antisemitismus. Wir lesen deine Artikel, wir sehen, dass du dich mit der Sache gründlich beschäftigst.“ Das aus diesem Lehrauftrag entstandene Manuskript wurde der Parteileitung vorgelegt, einer Veröffentlichung wurde zugestimmt, als Band 2 in einer Reihe, in der zuerst ein Buch gegen die Sozialdemokraten aufgelegt werden sollte. Denn der Hauptfeind der Kommunistischen Partei waren nicht die Nationalsozialisten, sondern die Sozialfaschisten.
Am Ende der Einleitung in der ersten Auflage der Orientalischen Despotie schrieb Karl August Wittfogel über die Freunde, die er im Lager hatte: über jene, „die die terroristischen Methoden der Konzentrationslager nur umdrehen wollten, so dass sie Herren sein würden, wo sie jetzt die Sklaven waren, und über die anderen, die die ganze Einrichtung als solche überwinden wollten“. Er beschreibt, dass einige von den Nationalsozialisten eingesperrten Antifaschisten sich nicht das Ende des Lagersystems wünschten, sondern einzig und allein nur die Rollen mit ihren Peinigern tauschen wollten.
Als eine Hauptstütze der kommunistischen Agententheorie, wonach Adolf Hitler als Agent der stärksten Gruppe des Finanzkapitals an die Macht gelang, galt jahrzehntelang ein Artikel über die „soziale Rekonsolidierung des deutschen Kapitalismus“ in den so genannten „»Führerbriefen«. Als über drei Jahrzehnte später Alfred Sohn-Rethel im Kursbuch 21 erklärte, er habe diesen Artikel geschrieben, damit die Kommunistische Partei mit dem Inhalt ihre Propaganda beweisen kann, versuchte die DDR, das andere, weil antifaschistische Deutschland, und ihre Büttel in den Blättern für deutsche und internationale Politik Sohn-Rethel selbst als Agenten des Finanzkapitals zu denunzieren.
Ein westdeutsches, antifaschistisches Magazin denunziert Sohn-Rethel als Agenten des Finanzkapitals, weil ansonsten die Glaubwürdigkeit der DDR als antifaschistischer Schutzwall gegen die kapitalistische Barbarei in Frage gestellt werden müsste.
Das Ende der Fahnenstange.
Es bleibt festzuhalten: Der Begriff »Antifaschismus« ist immer abhängig davon, was als »Faschismus« definiert wurde. Hier schieden sich schon immer die Geister. Die unsägliche kommunistische Sozialfaschismustheorie sei nur kurz noch einmal erwähnt.
Aus unserer Sicht macht es wenig Sinn, sich in einer langwierigen, womöglich niemals endenden Debatte über den „richtigen Begriff“ aufzureiben. Das führt zu nichts. Historisch gesehen sollte man die Bezeichnung Antifaschismus nicht über die Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus verwenden. Zumal er schon in dieser Zeit inhaltlich entkernt war, nur noch missbraucht wurde für Propagandazwecke. Das Schicksal des Jüdischen Antifaschistischen Komitees nach 1945 in der Sowjetunion ist dafür ein Paradebeispiel.
Wir halten es dagegen für sinnvoller, den Begriff »antideutsch« wieder aus der Mottenkiste hervorzukramen. Antideutsche sind als Feind aller Authochtonen, ob rechts, links oder unpolitisch, allseits bekannt und unbeliebt.
Antideutsche Aktion Berlin im Dezember 2014
* Alle Zitate sind aus dem Buch „Die Zerstörung einer Zukunft. Gespräche mit emigrierten Sozialwissenschaftlern“, Matthias Greffrath, 1983, Rowohlt