Am 01. September diesen Jahres wird die neonazistische NPD zum achten Mal in Folge den “Eichsfeldtag” in Leinfelde veranstalten. Wie in den Jahren zuvor wird es einige hundert oder sogar tausend Neonazis in die Nordthüringer Kleinstadt ziehen. Wieder einmal werden sie ihren Vernichtungsfantasien Ausdruck verleihen, bei Bratwurst und Bier Hass auf Minderheiten schüren und wieder einmal werden Neonazi-Strukturen eine ordentliche Finanzspritze bekommen. Doch das, was dort in Leinefelde passieren wird, ist in Thüringen kein Einzelfall.
1. Thüringen als Bundeszentrale für Rechtsrock-Events
2011 fand der Eichsfeldtag das erste Mal auf dem Leinefelder Ohne-Sportplatz statt. 400 Neonazis fanden den Weg in die Kleinstadt zum Auftakt einer Festival-Reihe, die seither zwischen 300 und 800 Rechtsrock-Fans anziehen sollte. Die Organisation dieser Veranstaltungen verläuft immer gleich: Angemeldet wird eine politische Kundgebung mit Musik, kein Konzert. Somit lässt sich rein rechtlich nur schwer dagegen vorgehen. In den letzten Jahren hat sich lediglich geändert, dass die Stadt Leinefelde einen Wasser- und Stromanschluss auf den alten Sportplatz legen lies. Die Zielsetzung war, den Platz für Veranstaltungen zu öffnen. Da der Eichsfeldtag jedoch die einzige größere dort stattfindende Veranstaltung ist, muss sich die Stadt den Vorwurf gefallen lassen, der Etablierung des Spektakels Tür und Tor geöffnet zu haben. Doch nicht nur im äußeren Nordwesten des Bundeslandes finden regelmäßig Neonazi-Festivals statt. Auch andere Großveranstaltungen dieser Art bündeln jedes Jahr auf’s Neue Tausende Neonazis in Thüringer (Klein-)städten. Der ebenfalls von der NPD ausgerichtete “Thüringentag der nationalen Jugend” beispielsweise zieht seit 2002 von Stadt zu Stadt und verzeichnet dabei zwischen 300 und 800 Teilnehmern. Auch recht bekannt dürfte das seit 2003 in Gera stattfindende “Rock für Deutschland” sein, das zu Spitzenzeiten 4.000 Neonazis (2009) in die Otto-Dix-Stadt mobilisierte. Während einige Thüringer Rechtsrock-Festivals wie das “Fest der Völker” bereits der Vergangenheit angehören, sind andere, wesentlich Teilnehmerstärkere Veranstaltungen auf dem aufsteigenden Ast. Seit 2016 findet im ostthürigischen Themar das Festival “Rock gegen Überfremdung”, statt, das letztes Jahr 6.000 Besucher auf den Plan rief. Die ebenfalls von Neonazi Tommy Frenck organisierte Vorgängerveranstaltung “Rock für Identität” feierte 2015 in Hildburghausen ihr Debüt.
2. Thüringen als rechte Gelddruckmaschine
Zählt man all diese – vorwiegend kommerziellen – Veranstaltungen zusammen, stellt sich relativ schnell die Frage, wie viel Geld Thüringer Neonazis eigentlich durch ihre braune Erlebniswelt verdienen. Laut MoBiT, der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Thüringen, fanden im vergangenen Jahr 59 registrierte Rechtsrock-Veranstaltungen in Thüringen statt. Die Grauzone dürfte bei mehr liegen. Unterm Strich heißt das: Mindestens ein rechtes Konzert pro Woche. Damit ist Thüringen unangefochtener Spitzenreiter auf diesem Gebiet. Während die etwas kleineren Konzerte und Liederabende unter Ausschluss der Öffentlichkeit für einen kleinen Obulus stattfinden, werden die Blockbuster in der rechten Szene groß beworben und haben Eintrittspreise, die durchaus mit denen größerer kommerzieller Künstler vergleichbar sind. Der Recherche-Blog thueringenrechtsaußen hat für das Festival “Rock gegen Überfremdung II” in Themar 2017 die immense Gewinnspanne der Neonazifestivals vorgerechnet. Die Neonazis kommen hier auf 200.000 € Gewinn bei einem Umsatz von 250.000 € bis 325.000 €. Wie viel Geld die rechte Szene aufgrund ihrer musikalischen Aktivitäten in Thüringen pro Jahr erwirtschaftet, kann man nur spekulieren. Es ist allerdings von einem mindestens sechs- wenn nicht sogar siebenstelligen Wert auszugehen.
3. Thüringen als braunes Herz der Republik
Doch nicht nur rechte Musikevents zeichnen die Thüringer Neonazi-Strukturen aus. Auch Immobilien und Onlineshops bieten eine wohlwollende Grundlage für eine gut funktionierende Vernetzung und Finanzierung der rechten Szene. Neben Thorsten Heise, dem Anmelder des Leinefelder Eichsfeldtages und Landesvorsitzenden der NPD Thüringen, betreiben mindestens noch 4 andere Thüringer Szene-Größen rechte Versandhandel. Neben Nazi-Kitsch, Rechtsrock-CDs und einschlägiger Kleidung sind vor allem Waffen ein wichtiges Standbein der völkischen Kaufleute. Die Bandbreite reicht dabei von Elektroschockern über Teleskopschlagstöcke, Reizgasen, Pfeffersprays und Baseballschlägern bis hin zu professioneller Polizei-Schutzausrüstung. Vor allem um die Zeit der sogenannten “Flüchtlingskrise” 2015 und 2016 nahm laut eigenen Aussagen die Nachfrage an Waffen zu. Etwa zur gleichen Zeit häuften sich nicht nur rassistische und völkische Demonstrationen in Thüringen und bundesweit, auch bewaffnete Übergriffe durch Neonazis auf Geflüchtete und politische Gegner nahmen zu. Ein aktuelles Beispiel dieser Überfälle ist der Angriff auf zwei freie Journalisten im Eichsfeld Ende April diesen Jahres. Die beiden wurden in ihrem Auto brutal von der Straße abgedrängt und anschließend mit Messern, Reizgas und Schraubschlüsseln attackiert. Anschließend wurde ihre Foto-Ausrüstung geraubt und das Auto stark demoliert. Dieser Vorfall reiht sich in eine lange Liste rechte Gewalttaten in Thüringen ein. Darüber hinaus sind Thüringer Neonazis bundesweit und international gut vernetzt. Sie organisieren Konzerte in anderen Bundesländern wie im April im Sächsischen Ostritz, sowie international in der Schweiz oder Frankreich.
Nicht nur Leinefelde ist also von dem Problem eines rechten Großevents betroffen. Die einfache Forderung, man wollte die Neonazis ausgerechnet hier nicht haben, wird also dem Problem nicht gerecht. Wenn sie ihre Kassen nicht in Leinefelde füllen können, veranstalten die Rechten ihre Konzerte eben woanders. Trotzdem sprechen mehrere Gründe dafür, gerade in Leinefelde gegen den Eichsfeldtag als eines der vielen Thüringer Rechtsrock-Events auf die Straße zu gehen. Während in anderen Gemeinden wie beispielsweise Themar wenigstens noch versucht wird, den Großevents durch Naturschutzauflagen Herr zu werden, hat die Stadt Leinefelde den Neonazis durch die Erschließung des Grundstückes eine Ausrichtung ihres Eichsfeldtages beinahe attestiert. Zudem ist das Event das ganz persönliche Aushängeschild von NPD-Landeschef Thorsten Heise und dürfte damit zumindest in seinem Dunstkreis, zu dem auch der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag Björn Höcke zählt, einen hohen Grad an Selbstzufriedenheit hervorrufen.
Thüringen ist eines der wenigen Bundesländer in denen die Neonazis sich in der strukturschwachen Region noch als heldenhafte Kämpfer für soziale Gerechtigkeit inszenieren können indem sie stumpf einen völkischen Rassismus vorneweg tragen, der glücklicherweise in anderen Teilen des Landes kaum noch Fuß fassen kann. Am Leben erhalten können sie sich, in Zeiten einer desaströsen Finanzlage der NPD und marginalem Erfolg anderer neonazistischen Kleinstparteien, nur durch Events wie dem Eichsfeldtag und den zahllosen anderen Konzerten in Thüringen. Deswegen bleiben wir dabei und sagen: Es reicht! Neonazistrukturen müssen konsequent ihre letzten Möglichkeiten zum Überleben genommen werden, egal ob hier, in Themar oder anderswo!