Das Berliner Attentat und die deutsche Moral

Nach dem bislang erfolgreichsten Versuch des IS sich in die deutsche Öffentlichkeit zu morden – also nach dem vierten islamischen Anschlag in Deutschland 2016 – hat es der Islamische Staat nun doch endlich geschafft. Jedoch steht immer noch nicht fest, ob diese Kriegserklärung gegen die freie Gesellschaft überhaupt angenommen wird. Denn der Anschlag zielt allem Anschein nach auf das heilige deutsche Ehrenamt. Folgerichtig urteilte die Kanzlerin über den dschihadistischen Massenmord als „besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind“1. Auch bei der staatlich geförderten Ahmadiyya-Gemeinde heißt es: „Mit Grauen, Entsetzen und Schmerz erfahren wir vom mörderischen Anschlag gegen Unschuldige. Es ist eine menschliche Tragödie, dass der Tat eines irregeleiteten Einzelnen, der ohne Reue und Skrupel handelte, Unschuldige zum Opfer gefallen sind. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Hinterbliebenen der Todesopfer und den Verletzten. Möge Gott den unschuldig Leidenden beistehen und ihr Leid mindern.“2 Der Massenmord eines fehlgeleiteten, irren Einzeltäters trifft also das an sich selber gesundete Deutschland und die muslimische Minderheit.

Hierbei wird eine interessante Parallele sichtbar, die zwischen Islamist und Neo-Nazi besteht und die sich im Blick der multikulturellen Mehrheitsgesellschaft auf diese beiden vereint.
Der Neo-Nazi ist ein Störenfried, ein Sittenstrolch oder ein Schandfleck für das wiedergutgewordene Deutschland. Nachdem die Deutschen ihren kollektiven Massenmord an den Juden erfolgreich neu durchdacht, gleichzeitig aber eine heuchlerische Erinnerungskultur3 etabliert hatten, konnten sie nun endlich zur moralischen Supermacht Europas aufsteigen. Nicht nur, dass sie mit Hilfe großflächiger Stelenödnis oder überall präsenter Stolpersteine Hitler nachträglich verhinderten, auch die Flüchtlinge werden nun vor diesen Karren gespannt. Selbstgerecht bringen die Deutschen ihre Willkommenskultur gegen all jene unmoralischen Staaten Europas in Stellung, die es wagen, nicht vergleichbar viele Flüchtlinge wie der europäische Hegemon aufzunehmen. Jeder Brandanschlag, jede Pegida-/AfD-Demo, jeder einzelne rechte Übergriff unterläuft dieses moralische Ziel. Jede gegen diesen Konsens gerichtete Tat oder Aussage ruiniert das schöne Bild. Die Taten einer rechten Minderheit versauen also die harte, mühevolle Arbeit, die das multikulturelle Miteinander evozieren soll.

Das gleiche gilt für den Islamisten. Seine Tat zerstört ebenso dieses Bild. Während der Zentralrat der Muslime oder andere Islamlobbyisten die ganze Zeit äußern, wie friedfertig und tolerant der Islam sei, zerstört der Islamist genau diese Vorstellung einer schon angeblich im Koran angelegten Möglichkeit, mit dem Kuffar ohne Differenzen zusammenzuleben. Vor diesem Hintergrund sind islamische Anschläge eine unmögliche Angelegenheit, die dem gutwilligen deutschen Helfergeist schaden und zudem die hilflosen muslimischen Flüchtlinge denunzieren. Die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit auf rechte, wie islamische Taten muss schon allein aus dieser Logik heraus die Realität vollständig verzerren. Egal ob Ansbach, Essen oder Würzburg, die Beweggründe wurden zwar zur Kenntnis genommen, dann aber im selben Atemzug relativiert. Es scheint als wären diese „irregeleiteten Einzelnen“ nur zufällig mit dem Islam in Kontakt gekommen. Ihre Religionszugehörigkeit wird ihnen aberkannt. Sie wird zur vorgeschobenen Rechtfertigung einer Gewalttat, da die guten Deutschen ein Nachsehen mit „irregeleiteten Einzelnen“ haben. Auch die staatsislamische Seite bestreitet nach jedem Massaker den islamischen Glauben der Täter. Im Falle von Anis Amri dürfte dies zwar schwieriger werden, ist aber, was im Zitat der Ahmadiyya-Gemeinde schon anklingt, nicht unmöglich.
Die deutschen Kulturrelativisten sind ebenfalls an vorderster Front mit dabei, wenn es darum geht, islamische Schandtaten zu verharmlosen. Zur Hilfe eilt ihnen dabei der Flüchtlingsstatus der Attentäter. Hier tut sich allerdings eine Ambivalenz auf, denn der Status der Attentäter wird gleichzeitig zum Problem, da er das Bild vom anständigen, dankbaren Flüchtling unterminiert. Aus diesem Grund wird Berlin als Anschlag auf die deutsche Helfermoral gewertet.

Zentraler erscheint jedoch, dass der Anschlag „den Rechten“ in die Hände spielt und das „harmonische Miteinander“ gefährdet. Als über dem „Unglück“ kreisende Geier, stellt sie die TAZ dar.4 Nichts an dem Anschlag scheint gefährlicher, als der vermeintliche Zulauf bei rechten Gruppen, die dann nämlich ein herbeihalluziniertes – oder gewünschtes – Pogrom an den Muslimen starten würden. So verwundert es nicht, dass islamische Anschläge in erster Linie als Krieg gegen den Islam gewertet werden und dass ein oberflächliches Bekenntnis gegen “Islamismus” und Gewalt ausreicht um einer tiefergehenden Diskussion über das Wesen des Islams zu entgehen. Stimmen, welche die Religion angreifen, lässt man nicht zu. Muslime gehen in der Regel dann auf die Straße, wenn ihre Religion „beleidigt“ wird, was allerdings das friedliche Antlitz des Islam bröckeln lässt.5 Der Wunsch nach dem Strafen von kritischen Stimmen ist nicht erst dem Islamischen Staat inhärent, sondern wird bereits in Deutschland praktiziert.6

Nicht zufällig treffen sich im Zuge des Anschlags von Berlin die deutsche und die muslimische Opfermentalität. Der Deutsche, der sich immer noch als Hauptopfer des Nationalsozialismus sieht, kann den islamischen Opferstatus nur allzu gut nachvollziehen und erhofft sich in der Relativierung islamischer Schandtaten eine Regenerierung der deutschen Volksgemeinschaft. Das langfristige Ziel ist die Eingemeindung der Umma in die Volksgemeinschaft, um der Welt und sich selbst die moralische Überlegenheit zu demonstrieren.
Nichts anderes sagt der Satz: „der Islam gehört zu Deutschland“.

  1. https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/12/2016-12-20-erklaerung-merkel-breitscheidplatz.html [zurück]
  2. http://www.ahmadiyya.de/news/pressemitteilungen/art/ahmadiyya-muslim-jamaat-verurteilt-mutmasslichen-terroranschlag-in-der-bundeshauptstadt/ [zurück]
  3. http://makezoopay.tumblr.com/post/134816839859/aktuelles-german-gedenken; http://70years.blogsport.eu/texte/ [zurück]
  4. https://www.facebook.com/taz.kommune/photos/a.207013419357734.51100.171844246207985/1285153044877094/?type=3&theater [zurück]
  5. An dieser Stelle verweisen wir auf bekannte Beispiel wie die weltweite Reaktion von Muslimen auf die Salman Rushdies Buch und die Mohammed-Karikaturen. [zurück]
  6. Maul, Thomas: Die Macht der Mullahs. Schmähreden gegen die islamische Alltagskultur und den Aufklärungsverrat ihrer linken Verteidiger, Freiburg 2006, S. 45 ff; ein aktuelleres Beispiel: http://zentralrat.de/21108.php [zurück]

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