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Zum Fehlen von Kritik – Eine Veranstaltungsreihe zum Thema fehlender Debatten

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In den letzten Jahren ist uns innerhalb der Linken immer wieder aufgefallen, dass es ein großes Manko in Sachen Formulierung von Kritik gibt: Linke Gruppen dümpeln eher in ihrer eigenen Suppe und man streitet sich kaum noch über die Inhalte. Die einzige inhaltliche Auseinandersetzung scheint darin zu bestehen, sich auf Klowänden des örtlichen AZ zu beleidigen oder “Kritik” dort parolenartig zu bekunden. Dies hat aber nichts mit Kritik zu tun, sondern stellt nichts anderes als männliche Revierkämpfe dar. Länger geführte Debatten findet man schon gar nicht. Mit dieser Veranstaltungsreihe möchten wir einige dieser, für uns fehlenden Debatten anstoßen: In Göttingen wird auf einigen linken Verteilern schon mal etwas debattiert, aber auch dort bleibt inhaltlich nicht viel hängen. Unserer Ansicht sind es 3 immer wiederkehrende Themen, die die Debatten bestimmen: und zwar Antisemitismus und Antizionismus, Islamkritik und die “kritische Weißseinsforschung”. Um die Möglichkeit zu bieten, sich auch ausnahmsweise einmal inhaltlich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, haben wir 3 Referenten eingeladen.

Tabuisierte Selbstverständlichkeit. Wie Alltagsislam und Islamismus zusammenhängen und warum Antifaschismus ohne Islamkritik zur Lüge wird

Die Situation ist ebenso bedrohlich wie grotesk: Denn an sich sollte überhaupt nicht zur Debatte stehen müssen, dass Folter, pathologische Misogynie und Homophobie, Massenmord und das Streben nach globaler Willkürherrschaft nicht ausgerechnet von Leuten, die für sich den Antifaschismus reklamieren, verharmlost, totgeschwiegen, ja sogar befördert werden. Doch genau das ist der Fall, wenn es um den Islamismus geht: Die SPD erklärte erst jüngst den Islam in einem offiziellen Papier der Parteiführung zu einem lediglich „theoretischen Konstrukt“ und bestritt rundweg, dass der Verschleierungszwang irgend frauenfeinlich wäre. „Islamkritisch“ steht in der Sprache des staatstreuen Medienkartells ohnehin schon synonym für „rechtsradikal“; auf der anderen Seite ist es ausgerechnet bekennenden Abtreibungsgegnern wie Beatrix von Storch und Stahlhelm-Nostalgikern wie Alexander Gauland vorbehalten, das Offensichtliche auszusprechen: Dass der praktizierte Islam per se keine unpolitische Religion ist, einen universalen Herrschaftsanspruch verkörpert und als praktizierender Sharia-Gegensouverän auftritt. Aufklärung tut in einer Welt der verkehrt scheinenden Fronten also dringend not. Nicht mehr, aber auch nicht weniger will der Vortrag von Uli Krug über die Psychopatholgie des Islam und den „Islamischen Staat“ als dessen notwendige Konsequenz leisten, also eine Einführung in das eigentlich Selbstverständliche geben.

Vortrag und Diskussion mit Uli Krug

6. Dezember 2016, 19:00 Uhr
Georg-August-Universität Göttingen
ZHG 007

Nahost! Nahost! oder Zur Romantik des Weltfriedens.
Antizionismus und Antisemitismus

»Der Antisemitismus ist nicht der Stein, der gefunden werden muss. Er ist das Wasser, das sich um den Stein legt. Er nimmt jeweils die Form an, die von seiner zeitlichen und örtlichen Umgebung begünstigt wird. Sucht man nach seiner Form, wird man immer den synchronen Abdruck von besonderen gesellschaftlichen Situationen erhalten. Sucht man nach seinem Wesen, wird er seltsam formlos, was seine Bestimmung zu einem unerfreulichen Vorgang macht. Unerfreulich, aber nicht unmöglich.«

Häufig wird der Antisemitismus erst dort, wo er in Form eines Systems der Welterklärung vorliegt, als voll entwickelt betrachtet. Das ist nicht falsch, kann aber zu einer Verselbständigung der theoretischen Konstruktion gegenüber dem Phänomen führen. Die Zusammenhänge zwischen Theorie und Phänomen, so relevant sie historisch sind, lassen sich so nur mittels längerer logischer Vermittlungen erhalten, in deren Verlauf manches verlorengeht. Felix Bartels versucht, den Antisemitismus als Ergebnis unmittelbaren Erlebens gesellschaftlicher Wirklichkeit zu fassen, ihn also von der affektiven Ebene ausgehend zu analysieren, noch bevor er sich in einem mehr oder weniger konsistenten System von Ideologie rationalisiert.

Der Antisemitismus kann sich den verschiedensten zeitlichen Kontexten anpassen. Dieser amorphe Charakter bestimmt sowohl Affekt als auch Rationalisierungen des Subjekts. Antizionismus ist dabei die uns historisch nächste Form des Antisemitismus und stellt so einen möglichen Zugang dar, unmittelbare Reflexe und Affekte begreifbar zu machen.

Felix Bartels studierte Klassische Philologie und Philosophie an der Humboldt Universität zu Berlin und lebt als Herausgeber, Lektor, Literaturforscher und Autor in Eberbach nahe Heidelberg. Am 15. Dezember 2016 wird er an der Georg-August-Universität Göttingen aus seiner Schrift »Nahost! Nahost! oder Die Romantik des Weltfriedens« lesen, die im November 2012 entstand und in erweiterter Form in dem Band »Odysseus wär zu Haus geblieben. Schutzschrift mit Anhang« beim Aurora Verlag (Berlin) erschienen ist.

15. Dezember, 19:00 Uhr
Georg-August-Universität Göttingen
ZHG 101

„Wie kritisch ist Critical Whiteness? Zur Kritik des neueren Antirassismus“
Referent: Klaus Blees (Aktion 3. Welt Saar e.V.)

VertreterInnen der Critical Whiteness (CW), der Kritischen Weißseinsforschung, haben in zentralen Punkten Recht. So ist es wichtig, zu lernen, auch bei weißen Antirassisten vorhandene, oft unbewusste rassistischen Stereotype selbstkritisch zu erkennen und wahrzunehmen und nicht mit der bequemen Floskel, alle Menschen seien gleich und man selber habe mit rassistischen Einteilungen nichts zu tun, zu übertünchen.

Jedoch sind – im Gegensatz zum Anspruch der CW-Anhänger, etwas Neues in den antirassistischen Diskurs eingebracht zu haben – derartige Forderungen nach selbstkritischer Reflexion nicht ihre Erfindung, sondern waren zuvor schon Bestandteil der Rassismuskritik. Die Behauptung, bis dato übersehene Lücken und blinde Flecken im antirassistischen Diskurs erstmals sichtbar gemacht zu haben, dient den CW-Vertretern dazu, ihren Ansatz als originell zu verkaufen.

CW lässt sich zunächst einmal zugute halten, den Blick hierauf erneut geschärft zu haben. Doch bleiben einflussreiche Teile der CW nicht bei der Analyse subtiler rassistischer Strukturen stehen, sondern fallen im Gegenteil hinter die emanzipatorischen, herrschaftskritischen Ansätze des klassischen Antirassismus zurück: Sie führen durch die Hintertür biologistische Kategorien wieder ein. Weiße sind nach ihrem Verständnis an sich in einer privilegierten Situation. Ihnen wird das Recht abgesprochen, aus sich heraus eine kritische Position zum Rassismus einzunehmen. Die Definitionsmacht, was rassistisch ist und was nicht, wird ausschließlich Menschen nichtweißer Hautfarbe, den „People of Color“, zugestanden. Deren Definitionen dürfen nicht kritisch hinterfragt werden, Weiße müssen sich ihren Urteilen bedingungslos unterwerfen. Doch „People of Color“, etwa Flüchtlingsaktivisten, die mit der CW-Ideologie nicht vertraut sind und deren Jargon nicht kennen, werden ebenfalls gemaßregelt und auf die Sprachregelungen der CW verpflichtet.

Der Vortrag setzt sich vor allem mit dieser Rückkehr biologistischer Kategorien im Gewand des Antirassismus auseinander, als einem Rassismus mit umgekehrtem Vorzeichen. Diese Ausformung von CW wird als Neuauflage des Kulturrelativismus im modernen Gewand analysiert. Denn Kulturrelativisten schreiben bereits seit Jahrzehnten „nichtwestlichen“ Lebensweisen einen positiven Wert an sich zu, unabhängig davon, was diese Kulturen an Unterdrückungsstrukturen für ihre „ihre Mitglieder“ beinhalten.

Klaus Blees ist Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3.Welt Saar.

www.a3wsaar.de

Lesetipp: Unter dem Titel „Wir teilen den sprachlichen Rigorismus nicht“ erschien 2015 ein Interview zur kritischen Weißseinsforschung in der Zeitschrift Phase 2 (Heft 51) mit Klaus Blees und Roland Röder von der Aktion 3.Welt Saar.
http://tinyurl.com/ndzcvgo

12. Januar, 19:00 Uhr
Georg-August-Universität Göttingen
ZHG 006

Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit dem Faschschaftsrat Sozialwissenschaften der Uni Göttingen statt

 

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