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Free Syria From Assad!

Im März des vergangenen Jahres hatten Kinder in der südsyrischen Stadt Daraa den im Arabischen Frühling in Tunesien und Ägypten verwendeten Slogan „Das Volk will den Sturz des Regimes“ an mehrere Wände geschrieben. Die Kinder wurden verhaftet und gefoltert. Daraufhin forderte die Teilnehmer auf der ersten großen Demonstration in Daraa die Freilassung dieser Kinder. Eine weitere Demonstration am Freitag, den 18. März, wurde von Sicherheitskräften gewaltsam angegriffen, mindestens vier Menschen verloren ihr Leben. Bei den Begräbnissen der Toten wurde am Tag darauf ein weiterer Mensch von den syrischen Sicherheitskräften getötet. Die Proteste griffen im Weiteren auf andere Städte in Syrien über.

Über ein Jahr, zwei Beobachtermissionen, zehntausende Flüchtlinge, abertausende Verhaftungen und beinahe 10.000 Tote später verhandelt die internationale Weltgemeinschaft nach wie vor mit dem syrischen Diktatur Baschar al-Assad über ein Ende der Gewalt. Das Ergebnis ist immer dasselbe. Assad verkündet ein oder zwei Reförmchen und lässt dort wo gerade die internationalen Beobachter ihre Runde drehen die Waffen schweigen. Überall sonst in Syrien gehen die Sicherheitskräfte weiterhin brutal gegen die Opposition vor. Business as usual.

Natürlich kann man einerseits sagen, dass durch Revolutionen alles nur noch schlimmer geworden ist. Die französische Revolution hat der Menschheit den Nationalismus und die allgemeine Wehrpflicht gebracht. Letztere hat es möglich gemacht, dass die Gemetzel in den beiden Weltkriegen alle vorangegangenen in den Schatten stellten. Und ohne Demokratie kein NS-Regime. Andererseits: Niemand weiß, was uns geblüht hätte ohne die Französische Revolution.

Auf jeden Fall kann man von Menschen nicht verlangen, dass sie sich mit der Despotie und den Folterkellern eines Mubarak-Regimes abfinden sollen. Sie haben das volle Recht, es mit Gewalt zu stürzen, ohne zu bedenken, was nachher kommt. Und vielleicht kommt es bei Ihnen ja nicht so schlimm, wie es bei uns gekommen ist.“ (1)

Falsches Spiel mit Kofi Annan?
Oder: Falscher Spieler Kofi Annan?

Als Repräsentant der internationalen Weltgemeinschaft ruhen viele Hoffnungen auf Kofi Annan und sein diplomatisches Geschick. Doch um diesem Ziel überhaupt näher zu kommen, fehlt Annan ein wichtiger Baustein: Die ernstzunehmenden Androhung von militärischer Gewalt. Auf die völlig berechtigte Frage von Elie Wiesel im April 2012 „Wie kann es sein, dass Assad noch immer an der Macht ist?“ antwortet der amerikanische Präsident Barack Obama mit rhetorischen Finessen, aber nicht mit militärischen Drohungen. Zwar sei es ein „zentraler Bestandteil des nationalen Sicherheitsinteresses und der moralischen Verantwortung der Vereinigten Staaten, Völkermord und Massentötungen zu verhindern“, aber dies bedeute nicht, dass „wir jedes Mal militärisch eingreifen, wenn irgendwo in der Welt Unrecht geschieht“ (2). Eine Bankrotterklärung die ihresgleichen sucht.

Kofi Annan ist somit auf die Einsicht des Assad-Clans angewiesen. Doch darauf kann er, wie auch alle anderen Unterhändler bisher, lange warten. Solange der Assad-Clan sich auf die Unterstützung des Iran, Teile der irakischen Führung und die Hizbollah verlassen kann, gibt es keine ernstzunehmende militärische Gefahr durch die Aufständischen. Auch die Millionen aus dem arabisch-sunnitischen Dreieck reichen bei Weitem nicht dazu aus, um aus der Freien Syrischen Armee (FSA) eine schlagkräftige Truppe zu formen, die imstande wäre Assads Schergen auch nur ansatzweise Paroli zu bieten.

Problem PKK.

Neben Alawiten, Sunniten und Christen gibt es vor allem im Norden von Syrien viele Kurden. Vor über einem Jahrzehnt unterstützte das Regime in Damaskus noch die Kämpfer der PKK und versteckte ihren damaligen Anführer Abdullah Öcalan. Zugunsten verbesserter Beziehungen zur Türkei brach Syrien diesen Kontakt ab und schränkte die Rechte von syrischen Kurden extrem ein. Nachdem auch in den kurdischen Gebieten einige Demonstrationen gegen Assad organisiert wurden, gab die syrische Regierung bekannt, dass Kurden, ab sofort ein Recht auf Arbeit hätten und das diejenigen Kurden innerhalb Syriens, welche bisher über keinerlei Staatsbürgerschaft verfügen, die syrische erhalten sollten.

Gleichzeitig übernahm der syrische Zweig der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Partei der Demokratischen Union (PYD), sukzessive die Macht in den syrisch-kurdischen Gebieten. Die PYD unterdrückt regimekritische Demonstrationen und im Gegenzug konnte sie ihre Stützpunkte im Norden weiter ausbauen. In einem von al-Jazeera veröffentlichten internen Dokument der syrischen Ba’ath-Partei heißt es, „dass die Unterdrückung von Protesten in den kurdischen Gebieten nicht durch reguläre Sicherheitskräfte, sondern in Koordination mit der PKK geschehen solle“. (3)

Mit Sicherheit keine Freiheit.

Der türkischen Regierung, die mit den syrischen Muslimbrüdern freundschaftlich verbunden ist, bereitet die Schaffung einer stabilen Rückzugsbasis der PKK größte Bauchschmerzen und handfeste militärische Probleme. Der israelischen Regierung ist ein bekannter Feind selbstverständlich auch lieber als ein kaum einzuschätzendes Chaos in Syrien. Und die Angst vor einem Bürgerkrieg in Syrien haben alle involvierten politischen Akteure bis auf Al Kaida und dem Assad-Clan. Während letztere vor allem aus einem religiös motivierten Bürgerkrieg ihre Legitimation als syrische Erbdiktatoren ziehen, kann Al Kaida jegliche gegen die derzeitigen arabischen Herrscher gerichtete Propaganda gut gebrauchen.

Eine Ausweitung des Konfliktes zu einem Bürgerkrieg führt langfristig dazu, dass anstatt den zivilen, städtischen Organisatoren des friedlichen Protest, nunmehr die militärischen Kader, seien sie nun aus der syrischen Armee desertiert oder aus Solidarität mit ihren syrischen Stammes- und Religionsbrüdern aus dem irakischen Grenzland eingesickert, das Heft in die Hand nehmen. Da es sich meist um erfahrene Kämpfer handelt, kann man davon ausgehen, dass sie schon vorher im Nahen Osten an bewaffneten Auseinandersetzung beteiligt waren. Im besten Fall in Libyen, im schlechtesten im Irak oder Afghanistan.

Der syrische Bürgerkrieg:
Self fulfilling prophecy

Die Motivation dieser Milizionäre ist eine völlig andere, als die der Mehrzahl der Demonstranten. Aber eine Annäherung dieser beiden recht unterschiedlichen Parteien wird mit jedem Tag, an dem das Morden des Assad-Clans weiter anhält, realistischer. Rache, gerade die Rache an den als Gewinner des Systems identifizierten Alawiten wird mit jedem Massaker bedeutender für die Aufständischen. Vor allem für die Sunniten. Während die Stadtgebiete in denen sie leben vom syrischen Militär und anderen Pro-Assad-Banden abgeriegelt und beschossen werden, keine Strom- oder Wasserversorgung mehr vorhanden ist, können keine zwei Kilometer weiter Menschen alawitischen Glaubens halbwegs normal ihr Leben führen.

Gleichzeitig werden auch die Christen und Kurden protegiert um deren Eingreifen in den Aufstand zu Gunsten der Assad-Gegner zu verhindern. Dieser Versuch die Aufständischen zu isolieren, indem man ethnische und religiöse Spannungen noch weiter schürt, führt geradewegs in den seit langem von Assad prophezeiten Bürgerkrieg.

Solidarität ist eine Waffe!

Eine Phrase schafft niemals Veränderung. Aber in ihr steckt auch immer ein wahrer Kern. Die Aufständischen in Syrien brauchen die Unterstützung aus dem Ausland. Bisher werden sie hauptsächlich von syrischen Exilanten, sunnitischen Organisationen und einigen arabischen Staaten unterstützt. Diese verfolgen mit der Hilfe selbstverständlich ihre eigenen, recht unterschiedlichen Ziele. Von einer Destabilisierung Assads, über die langfristige Etablierung der sunnitischen Mehrheit in einer neuen Regierung bis hin zu einem langfristigem Machtvakuum welches von Al-Kaida-Anhängern als Operationsbasis genutzt werden kann, reichen die Vorstellungen derjenigen die derzeit die Opposition, bzw. bestimmte Teile davon unterstützen. Für uns kann dies nur bedeuten, genau jene Oppositionelle zu unterstützen, die sich für eine demokratische und zwischen den Religionen vermittelnde Zukunft einsetzen.

Das hämische Feixen aus den Palästen in Damaskus über die Hilflosigkeit der UNO und des Westens ist kaum zu überhören. Man müsste schon mehr als nur taub sein! Für uns ist es deshalb wichtig, anstatt sich mit der Kritik an den Verhältnissen im Speziellen in Syrien und im Allgemeinen an der UNO und seinen wichtigsten Akteuren zu begnügen, endlich konkret denjenigen zu helfen – soweit dies uns möglich ist – die seit Monaten aus gutem Grund gegen die Schergen Assads auf die Straße gehen.

Anmerkungen:

(1) Wolfgang Pohrt, Kapitalismus Forever. Über Krise, Krieg, Revolution, Evolution, Christentum und Islam. Critica. Diabolis. 197. Edition. TIAMAT
(2) FAZ, 25.April 2012, „Scharfe Kritik Annans an Assad“
(3) Jungle World, 12. April 2012, „Auf Seiten der Sieger“

Antideutsche Aktion Berlin (ADAB) im Mai 2012

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