Solarium: Redebeitrag vom 09.10.2023

Sehr geehrte Genossinnen und Genossen,
liebe Unterstützer und Unterstützerinnen der israelischen Selbstverteidigung.

Für uns als kommunistische Gruppe gibt eigentlich kaum etwas zu den aktuellen Ereignissen in Israel zu sagen, als festzuhalten, dass Antifaschismus immer auch Solidarität mit Israel meinen muss. Doch leider scheint das nicht zu reichen.

Was sich am Wochenende artikuliert hat, ist nicht der antikoloniale Befreiungskampf eines Frantz Fanon, sondern dessen kleiner hässlicher Bruder, der die schon immer fragwürdigen – jedoch in klassenkämpferischer Rhetorik gebändigten – nationalistischen und antisemitischen Tendenzen zu seinem Wesenskern erklärt hat. Es geht der Hamas um nicht weniger als um die erneute Artikulation einer schon tausendmal ausgesprochenen Vernichtungsdrohung. Es geht darum zu zeigen, dass man zu allem bereit ist und unter Inkaufnahme des eigenen Todes möglichst viel Juden, Jüdinnen und all jene, die sich nicht intensiv genug von ihnen distanzieren, umbringen will. Dabei werden nicht zufällig Zivilist*innen – insbesondere alte Menschen, Frauen und Kinder – entführt und auf brutalste Weise misshandelt. All dies geschieht mit derselben Botschaft: Der islamistische und antisemitische Terror versucht all jenes Leben zu vernichten, dass nicht in sein Weltbild passt. Gerade an israelischen Frauen wird dabei ein besonders patriarchaler und faschistischer Machtanspruch artikuliert, dem eigentlich jeder Mensch mit Verachtung begegnen müsste, dem irgendetwas an Worten wie Emanzipation oder Revolution zu liegen scheint.

Dass dies nicht der Fall ist, überrascht nicht, spricht jedoch Bände. Denn überall tauchen sie jetzt wieder auf, jene angeblichen Kommunist*innen, Sozialist*innen und sonstigen „Pseudolinken“, die im jüdischen Staat selbst das Problem der Staatlichkeit an sich überwinden wollen – ohne zu verstehen, dass es gerade jene kapitalistische Staatlichkeit ist, die den Antisemitismus erst ideologisch notwendig macht. Der eigene brutale Herrschaftsanspruch der Hamas, gegen den Menschen in Gaza immer wieder – leider nicht erfolgreich – aufbegehrt haben, wird legitimiert, indem man alles Übel dem zionistischen Feind zuschreibt. Menschen auf beiden Seiten des Konfliktes werden für die Hamas zu bloßen Zahlen, deren Zweck einer brutalen Logik der Eskalation untergeordnet wird. Insgeheim wird jede*r palästinensische Tote als ideologische Bestätigung ebenso bejubelt, wie es bei toten Juden in aller Öffentlichkeit – auch auf deutschen Straßen – geschieht. Doch der Antizionismus der Berliner Republik äußert sich häufig auch subtiler.

Zum Beispiel, wenn während des Tagesordnungspunktes „70 Jahre Gründung des Staates Israel – In historischer Verantwortung unsere zukunftsgerichtete Freundschaft festigen“ die Kritik am israelischen Staat von keiner Partei ausbleiben kann. Der neue Antizionismus gibt sich freundschaftlich und geschichtsbewusst. Gerade unter Freund*innen möchte man ehrlich sein und Spannungen ansprechen. Insbesondere über die leidige Meinungsverschiedenheit, die den deutschen Handelspartner und gleichzeitigen israelischen Todfeind, die islamische Republik Iran betrifft, muss auf Augenhöhe und ergebnisoffen diskutiert werden können. Unter Freund*innen kann man sich auch auf darauf aufmerksam machen, dass man ja aufgrund der gemeinsamen Geschichte eine gemeinsame Verantwortung bezüglich der Erinnerung hat und niemand diese Erinnerung für „nationalen Egoismus“ missbrauchen sollte. Dabei vergisst man, dass in der gemeinsamen Geschichte der eine Staat diejenigen industriell vernichten wollte (und es beinahe geschafft hat), die der andere Staat heute beschützen will – genau wie man vergisst, dass Israel nur eine einzige Handlungsmöglichkeit gegenüber dem Iran hat, will es dieses Schutzversprechen gegenüber seiner Bevölkerung einhalten. Die Selbstverteidigung mit allen notwendigen Mitteln ist für Israel die einzige Möglichkeit zu existieren.

Was die Befürworter des Terrors und die falschen, weil deutschen Freund*innen Israels gemein haben, ist die Staatskritik am falschen Objekt. Was an den abstrakten Verhältnissen zu denunzieren wäre, können sie einzig und allein am jüdischen Staat ausmachen. Ihnen erscheint Israel als Grundübel einer Welt voller Leid und Elend. Schaut man ganz genau hin, so finden sich in Dietmar Bartschs freundschaftlichen Feststellungen, dass Israel „nur in einem sicheren Umfeld“ sicher leben könne die gleichen Anmaßungen wie in der Propaganda des iranischen Regimes: Israel wird die Verantwortung für die Probleme innerhalb der arabischen Staaten gegeben. Der Unterscheid kann auch nur ein rein stilistischer sein, da sich beide Seiten – angebliche Israelfreund*innen und offene Israelhasser*innen – einig in ihrem Staatsfanatismus sind. Undenkbar erscheint es ihnen, dass ein Staat notwendigerweise Gewalt ausüben muss, um überhaupt existieren zu können. Recht und Ordnung scheinen ihnen vom Himmel gefallen zu sein und nicht als Produkt einer gewaltausübenden Entität. Die Gewalt, die sie in diesem Rechtsfetischismus verdrängen müssen, erkennen sie in Israel und wollen sie mit Israel aus der Welt schaffen. Doch auch diejenigen unter unseren linksradikalen Genoss*innen, die von der allgemein von Staaten ausgehenden Gewalt etwas wissen, tun sich schwer damit, neben der roten Fahne auch die israelische Fahne zu tragen. So sehr sie auch bemüht sind, nicht allein Israel, sondern das allgemeine staatliche Prinzip zu kritisieren, so wenig scheinen sie sich darauf einlassen zu können, daraus eine aktive Parteinahme für den jüdischen Staat zu machen. Für sie ist Israel ein Staat unter vielen, dessen „bürgerlichen Charakter“ sie nicht müde werden zu betonen. Auch können sie es nicht sein lassen, sich eine Meinung zur israelischen Politik und dem israelischen Ministerpräsidenten zu bilden. Als ob der israelische Ministerpräsident irgendetwas damit zu tun hätte, dass die negative Aufhebung der Klassen im Antisemitismus für autoritäre Bewegungen auf der ganzen Welt einen besonderen Reiz bereithält. Insbesondere mit wem er international zusammenarbeitet, erachten sie dabei für erwähnenswert. Auch hier werden sich Illusionen über die Handlungsspielräume von Politik im Allgemeinen und israelischer Politik im Besonderen gemacht. Der Staat Israel kann es sich nicht erlauben, irgendeine Meinung gegenüber anderen Staaten zu haben – außer der zentralen Frage: unterstützen sie uns bei der Selbstverteidigung oder nicht?

Und genau deshalb geht es nicht darum, dass Israel im Gegensatz zu anderen Staaten irgendwie humaner wäre, sondern darum, dass Israel durch die Inhumanität der anderen Staaten zur einzig möglichen Verteidigung der Jüdinnen und Juden geworden ist. Wer es mit dem Kommunismus ernst meint, der kann weder seine Staats- und Kapitalkritik vergessen, noch die Opfer ihrer negativen Formen – Antizionismus und Antisemitismus – auf den St. Nimmerleinstag der Revolution vertrösten. Mag im sozialistischen Antizionismus der Zwischenkriegsjahre noch die Hoffnung auf die Emanzipation der Juden zu Sowjetgenoss*innen aufgehoben gewesen sein, so hat spätestens der Hitler-Stalin-Pakt dieses Moment auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt und den Antizionismus zu einer durch und durch konterrevolutionären Sache gemacht.

„Hitler hat den Menschen“ – wie Theodor W. Adorno festhielt – „im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen.“ Wo früher noch die berechtigte Hoffnung darauf bestand, dass wenn, wie Marx sagt, „alle Verhältnisse“ umgeworfen sind, aus Juden und Deutschen gleichermaßen Menschen werden können, so gilt angesichts der schrecklichen und im Wortsinne konterrevolutionären Gewalt des Antisemitismus – der aus herrschender und beherrschter Klasse eine einheitliche Nation und aus Juden zur Vernichtung freigegebene Opfer machen will – heute in erster Linie eines: „Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe. Dieser Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung wie einst die Gegebenheit des Kantischen, ihn diskursiv zu behandeln wäre Frevel.“ Der israelische Staat ist und bleibt in der aktuellen, staatlich organisierten Welt die einzige Möglichkeit einer jüdischen Selbstverteidigung – also im Stande der Unfreiheit die unmittelbare Bedingung der Möglichkeit Auschwitz zu verhindern.

Erst in einer befreiten Gesellschaft lässt sich dieser notwendige jüdische Partikularismus mit der geeinten Menschheit versöhnen – und diese Versöhnung wird sicherlich nicht durch systematische Vergewaltigungen und Exekutionen der Zivilbevölkerung erreicht, wie wir sie gerade erleben. Und deswegen gilt heute wie an jedem anderen Tag: Die israelische muss neben der roten Fahne von allen getragen werden, die im Kommunismus mehr als ein intellektuelles Hobby sehen und den Glauben an die erlöste Menschheit nicht einem besserwisserischen Zynismus geopfert haben.

In diesem Sinne:
Krieg den deutschen Zuständen,
Antifa heißt Solidarität mit Israel
& für den Kommunismus.

Sonnige Grüße, Solarium – kommunistische Gruppe Bremen.

Heißer Krieg. Kalter Frieden.

Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder.“ – Paul Spiegel

Am 25. Februar diesen Jahres wollen sich besorgte Deutsche für einen „Aufstand für den Frieden“ rund um das Brandenburger Tor versammeln. In ihrem Aufruf formulieren sie den Anspruch, die bisher stumm gebliebene „Stimme der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland“ zu vertreten, „deren Unbehagen, ja Angst wächst“. Wie selbstverständlich hantieren sie dabei mit apokalyptischen Begriffen aus dem ausklingenden 20. Jahrhundert wie Welt- oder Atomkrieg.

Es verwundert daher kaum, dass sich die Generation Golf direkt von dieser Ansprache angesprochen fühlt und die einst eingemotteten Schilder mit depperten Slogans wie „Schwerter zu Pflugscharen“ umgehend hervorgekramt. Dazu mobilisieren auch die sozialdemokratischen Nationalpazifisten, nationalen Sozialisten und deutschnationalen Rechtspopulisten ihre Anhänger nach Berlin. Sie wollen – wie in ihrem Manifest formuliert – „unsere Regierung und den Kanzler in die Pflicht nehmen und ihn an seinen Schwur erinnern: Schaden vom deutschen Volk wenden“.

Ein Marsch für den Frieden – wie es die Organisatoren vorgeben – wird die Ansammlung vor dem frühklassizistisches Triumphtor in Berlins Mitte aber ganz bestimmt nicht. Und auch die von einigen Organisatoren erhobene Hoffnung auf eine deutschnationale Erweckungsbewegung wird wohl enttäuscht werden. Was bleibt ist eine widerliche Melange aus Blut-und-Boden-Geraune, antisemitischen Verschwörungstheorien und plattem Antiamerikanismus, die ihren Wohlstand von der ukrainischen Selbstverteidigung bedroht sieht. 

Die eigene Angst soll in einem nostalgischen 80er Jahre Live Action Role Play gebändigt werden. Es ist die Angst davor, dass Deutschland in der aktuellen – durch den russischen Angriffskrieg ausgelöste – Krise nicht als Meister hervorgehen könnte, wenn die Berliner Republik nicht den Kurs korrigiert und nach anderen Möglichkeiten der außenpolitischen Dominanz sucht als Waffenlieferungen. Von Europa oder internationaler Solidarität wird dabei schamlos auch nicht einmal mehr gesprochen.

Der offen zur Schau gestellte Nationalismus hat bisher jedoch nicht zur Ankündigung antifaschistischer Aktivitäten geführt, die über das Ablichten der von den Demonstranten vor sich hergetragenen ideologischen Ergüsse hinaus gehen. Die Anti-Nazis aus der Hauptstadt scheinen lieber zu schweigen, als ihrem selbst gestellten Auftrag nachzugehen. Das entschiedene Vorgehen gegen nationale Sozialisten vorzugehen überlassen die wackeren Gesellen bekanntlich nicht zum ersten Mal Anderen.

Da aber am 25. Februar diesen Jahres höchstwahrscheinlich kein alliierter Kampfpilot die Bekämpfung des deutschnationalen Widerstandes übernehmen wird, rufen wir – antideutsche Kommunisten – alle Gegner des Friedensmarschs dazu auf der Mobilisierung von der Schwarzer-Vlad-Wagenknecht-Bande entgegenzutreten. Wenn sie sich ihrem Nationalismus LARP hingeben möchten, dann wollen wir zumindest als Spielverderber mit vor Ort sein.

Denn auch 2023 gilt immer noch die antifaschistische Grundregel:
Der Hauptfeind ist das eigene Land.
Kein Frieden mit Deutschland.

Heldendichtung

Zum Basiswissen einer marxistischen Charaktermaskenkunde gehört, dass politische und ökonomische Krisen jeweils mit den für ihre Zeit spezifischen Akteuren daher kommen. Es verwundert deshalb nicht, wenn Verfechter dieser Charaktermaskenkunde sich nicht einfach aus der Ruhe bringen lassen und daher glauben, mit klarem Kopf das vor ihnen liegende Phänomen sezieren zu können. Wer Beispiele sucht, wird auf den – oft ästhetisch weniger ansehnlichen – Covern einer beliebigen Ausgabe einer beliebigen linksradikalen Theoriezeitschrift fündig werden.

Gegen dieses Ruhigbleiben ist trotz aller Liebe für aufständische Unruhen und spontan-ausbrechende Revolte auch erst einmal nichts einzuwenden. Sicherlich wirken die Texte oft distanziert und vom eigentlich behandelten Ereignis entfremdet, wenn die Wut bis zur Unkenntlichkeit sublimiert wurde. Garantiert macht es die meisten Zeitschriften weniger lesenswert, weswegen nur glühende Anhänger mehr als ein paar Ausgaben ernsthaft verfolgen. Jedoch ermöglicht diese Ruhe ein Krisenphänomen, wie das des Edgelords, unaufgeregt zu betrachten.

Wenn also Ulf Poschardt, seines Zeichens Häuptling aller prätentiöser Poser von der Nordsee bis zu den Alpen und nebenberuflich als Chefredakteur der Welt angestellt, einen Text über den 2010 verstorbenen marxistischen Theoretiker Karl Held schreibt, dann ist es durchaus angebracht zu fragen: Welches Interesse hat der werte Herr Chefredakteur solch einen Text zu veröffentlichen?

Allgemein kann man davon ausgehen, dass das Interesse der meisten in der postmodernen Medienproduktion darin besteht, die ihnen eigene Ware Arbeitskraft samt ihres popkulturellen Überbaus – die eigene Marke – gewinnbringend zu veräußern. Kurz: sie denken klassisch-bourgeois an erster Stelle an sich selbst. Wenn also in meinungsstarken Texten historische Anekdoten ausgegraben werden, dient dies in erster Linie dazu sich selbst mit gewichtigen Tant zu behängen: „Die Beute wird, wie das immer so üblich war, im Triumphzug mitgeführt“, wusste schon Walter Benjamin.

Wenn Ulf Poschardt über Karl Held schreibt, dann nicht, weil er seinen Lesern diesen linken Theoretiker näher bringen will und auch nicht um mit dessen Hilfe dogmatische Marxisten als Leser zu gewinnen – wer von denen hätte überhaupt ein Welt Plus Abo, um den Text lesen zu können? Ihm geht es darum sich selbst in – oder besser noch: als – Held zu sehen, dessen Vornamen er deshalb im Artikel auch für bürgerlich und obsolet erklärt. Um gar keinen Zweifel zu lassen endsubstantiviert er dessen Nachnamen im Weiteren und macht ihn zu jemanden der „heldet“, was das Nacheifern sicherlich erleichtert.

Held ist man, – wenn man den Text destilliert, dadurch, dass man auch auf „sprachlicher Ebene Dissidenz“ vollzieht und sich nicht gemein macht mit einem Zeitgeist, den Poschardt schon oft genug als woke umschrieben hat. Nur logisch, dass Held sich der „Kathederhaftigkeit“ des Hochdeutschen verweigert – während genau jenes, wie Klaus Bittermann in einer Antwort schreibt, eine Emanzipation aus dem Provinziellen versprechen könnte. Mit jeder Faser ist Held von der Gesellschaft abgekehrt, mit jeder Geste wird diese Distanz betont. Man muss nicht mal Nietzsche gelesen haben, um hier an seinen Übermenschen denken zu müssen. Denn Held sein heißt auch dann ruhig zu bleiben, wenn das Publikum wie auf dem Konkret Kongress 1993 lauthals buht. Es heißt stärker zu sein als die Anderen, weswegen ihn Poschardt sicherheitshalber zum Nihilisten im Stile eines Jewgeni Basarow macht.

Dezent unter den Tisch fällt bei ihm, dass Held nicht alleine gegen ominöse Andere stand, sondern sich immer als Teil der Marxistischen Gruppe (MG) verstand und in deren Marxistischer Streit- und Zeitschrift (MSZ) nicht als eigenständiger Autor genannt wurde. Wenn Poschardt also die MG zum bloßen Anhängsel von Held erklärt, liegt der Verdacht nahe, dass der Chefredakteur hier vor allem über sich und das von ihm gedachte Verhältnis zu seiner Zeitung schreibt. Dementsprechend war das Scheitern von MG und MSZ, die sich 1991 auflösten, für den 55jährigen Kreuzfahrer gegen die Wokeness keine Reaktion auf die verstärkt einsetzende Repression gegen die Organisation, sondern Teil der Idee. Der schon seit der Gründung 1971 an den Tag gelegte Verzicht auf realpolitischen Ehrgeiz deutet er dementsprechend als Konzeptkunst. Wer einmal auf einer Veranstaltung des MSZ-Nachfolgers Gegenstandpunkt war, kann dieser Deutung nur schwer widersprechen; wer Poschardts Onlineauftreten verfolgt, kann auch diesen kaum anders begreifen.

An dieser Stelle ist der Punkt erreicht, wo die marxistische Charaktermaskenkunde an eine Grenze gerät und die Frage nach dem Interesse kaum weiter hilft. Es ist jene Grenze, über die Held auf dem Konkret Kongress 1993 mit Wolfgang Pohrt und Hermann Gremliza stritt; jener Moment, in dem „die Psychologie des bürgerlichen Individuums“ nur noch durch die Massenpsychologie Sigmund Freuds verstanden werden kann. Wenn die Selbsterhaltung aufgegeben wird und aus Bürgern und Arbeiter nur noch Volksgenossen werden, dann gelangt der Marxismus seit 1938 immer wieder an diese unüberwindbare Hürde.

Besonders hebt Poschardt in seinem Artikel hervor, dass für Held all die mit der Wiedervereinigung einhergehende Gewalt gegen Migranten nur eine Fußnote des deutschen Imperialismus sei. In dieser Projektion verstecken sich zwei verschiedene Zeitebenen, die zusammen gedacht werden, aber nicht gehören. Während der Chefredakteur der Welt nicht müde wird der gegenwärtigen antirassistischen Bewegung vorzuwerfen nur ihr eigenen Befindlichkeiten im Sinn zu haben, richtete sich Held dagegen explizit gegen eine im Entstehen begriffene antideutsche Bewegung. Beides wird wiederum von Poschardt in einer Traditionslinie gesehen, weswegen er auch Wolfgang Pohrt und die Antideutschen als Superlinken und Ursprung der Identitätspolitik stilisiert.

Dieses nicht gerade originelle Feindbild hat sich der fränkische Dünnbrettbohrer aus den USA entliehen. Seit Jahrzehnten hetzen evangelikale Rechte gegen den so genannten Kulturmarxismus, wo so unterschiedliche Theoretiker wie Theodor W. Adorno und Judith Butler in eins fallen und an eine von langer Hand geplante Zersetzung des christlichen Zusammenlebens geglaubt wird. Dabei handelt es sich um ein antisemitisches und rassistisches Feindbild, welches auf Authentizität baut, die, gerade weil es sie in der Kulturindustrie nicht geben kann, mit Gewalt wahr gemacht werden muss.

In der MSZ stand Anfang der 1990er schon jede individuelle Leiderfahrung delegitimierend und an die Antideutschen adressiert, dass der nationale Taumel bloß für die „Manövriermasse deutscher Macht mit viel Menschelei zum Unterhaltungsgenuss aufbereitet worden“ sei; bloß ein Teil der „Grundlüge des Nationalismus“, welches den imperialistischen Anspruch auf das Staatsvolk zu einem Recht des Menschen macht, aber ohne wirklich reale politische Relevanz. Kein „altbekanntes faschistisches Kriegsprogramm nach außen und mörderisches Säuberungsprogramm nach innen“ ließen sich ausmachen. Anders lautende Analyse der sich angeblich anbahnenden Manifestation des neuen Deutschlands „fallen allerdings ganz unökonomisch aus.“

Es ist diese rational daherkommende Gleichgültigkeit, in der sich Poschardt wiederfindet, um jede Wut gegen die Zustände in diesem Land als obsolet und moralisch zu verwerfen. Dem Fühlen selbst wird der Kampf angesagt und nicht der geistigen Überhöhung des Fühlens. Dass MG und MSZ nach dem Scheitern der Studentenrevolte genau jenem entmenschlichenden Denken auf den Leim gingen, dass das Kapitalverhältnis jedem Politikern aufzwingt, gehört zur linken Tragödie des zwanzigsten Jahrhunderts. Dass Ulf Poschardt feuilletonistisch das kollektive Leiden individualisiert, wiederum zum faschistischen Programm des 21. Jahrhunderts.

Und während immer noch große Teile der Linken denken, dass die Begriffe des Marxismus – wie Klasse oder Imperialismus beziehungsweise Diktatur des Proletariats – unbeschadet aus der ersten Verdichtung hervor gegangen sind, verdichtet das „neoliberale Twitter-Rumpelstilzchen“ im Stile des 20. Jahrhunderts den Marxismus erneut zum antibürgerlichen Ressentiment. Beide tun so, als hätte sich die deutsche Volksgemeinschaft in den entscheidenden Phasen der Moderne nicht immer als blutrünstige Beutegemeinschaft konstituiert, wenn auch jeweils mit anderen Absichten.

Interessanterweise sind es aber die zum Feindbild aufgeladenen Antideutschen, die die Einfachheit des Antiimperialismus und des Klassenkampfes zu Nichte machen beziehungsweise die Liebe zur deutschen Kulturnation denunzieren. Auf dem Konkret-Kongress 1993 erinnerte ein Gast genau daran: „Dass ihr nie darüber diskutieren wollt, dass dieses Land das Land nach Auschwitz ist; dass dieses Land das Land von Auschwitz ist; dass diese Täter […] Brandsätze bei Nacht und Nebel werfen, weil sie über Gaskammern und Zyklon B noch nicht verfügen, weil aber Gaskammern und Zyklon B genau das sind, was in ihren dumpfen Köpfen umgeht. Darüber könnt ihr nicht Reden, weil ihr selber zu bescheuert seid.“

Künstliches Sonnenlicht im Winter 22/23

Wenn die Tage kürzer werden und gleichzeitig die Preise steigen, dann ist die Winterdepression nicht weit. Um dem drohenden Vitamin K Mangel vorzubeugen und eine Alternative zur Einsamkeit anzubieten, haben wir für die restlichen zwei Monate des Jahres einige Programmpunkte im Angebot zu denen wir euch herzlich einladen möchten.

Am 3.11. starten wir mit der dritten Runde unserer Kneipe Abgrund ab 19:00 Uhr. Wir möchten uns zusammen hinsetzen, einige Kaltgetränke trinken und gemeinsam über die Auswirkungen der vergangenen Pandemiejahre auf die radikale Linke und mögliche Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Aber alles kann und nichts muss, weswegen auch alle, die einfach nur Trinken möchten, herzlich eingeladen sind. Den Ort gibt es auf Anfrage.

Am 17.11. ist die erste Sitzung unseres Lesekreises:
„Wir werden uns wieder mit den ganz unintressanten Fragen auseinander- zusetzen haben, etwa: Wie kommt die Scheiße in die Köpfe?“ – Ronald M. Schernikau
Während die Pandemie langsam in Vergessenheit gerät und die radikale Linke sich angesichts der aktuellen Inflationskrise wieder mehr Relevanz erhofft, tritt weiter offen zutage, wie das Gros an gesellschaftlich produzierter Wut über die Verhältnisse sich am Ende nur gegen als Außenseiter Markierte richtet. Woher kommen diese eingeschliffenen Formen der psychodynamischen Verarbeitung der Realität? Wie kommt diese Scheiße in die Köpfe? Wie ist es möglich, aus diesen Strukturen auszubrechen?
Angesichts des großen Versagens der Linken im 20. Jahrhundert, welches uns statt Weltrevolution nur den Hitler-Stalin-Pakt und den völkischen Maoismus bescherte, ist ein Blick auf die erste Generation der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule mindestens von einem gesteigerten historischen Interesse. Um zu verhindern, dass die erlebte Tragödie sich in diesem Jahrtausend als Farce wiederholt, ist die therapeutische Auseinandersetzung mit dem eingeschliffenen Konformismus beinahe unverzichtbar.
Wir wollen gemeinsam das Buch „Feindaufklärung und Reeducation – Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus“ aus dem ça ira Verlag lesen und es zum Ausgangspunkt nehmen, um die gegenwärtigen Perspektiven von Kommunismus und Antifaschismus gemeinsam zu diskutieren.
Beginnend am 17.11 jeden dritten Donnerstag im Monat, Anmeldung bitte unter solariumkgb@riseup.net . Eine gemeinsame Bestellung der Bücher ist in Planung.

Am 24.11. veranstalten wir ab 18 Uhr den Workshop „Von raffenden Kobolden, schaffenden Zwergen und Weltenfressern – Über antisemitische Strukturen in phantastischen Geschichten“ im BDP Haus im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus (https://aktionswochen.online/2022/): In phantastische Universen wie dem von Harry Potter, der Herr der Ringe oder den Geschichten um Cuthulu lassen sich antisemitische Elemente finden. Diese reichen von der Nutzung von optischen Stereotypen hin zu dem Bild einer abstrakten Macht unterworfen zu sein, wie es im antisemitischen Denken gängig ist. Durch das Erkennen verschiedener Strukturen von antisemitischen Symbolen in den Universen, soll die Komplexität des Antisemitismus erschlossen werden.

Am 30.11. veranstalten wir ebenfalls im Rahmen der Aktionswochen die Podiumsdiskussion „König Fußball: eine Bestandsaufnahme – Über Antimodernismus und Antizionismus im Fußball“ mit Alex Feuerherdt und Jasper Küster. Ab 19:00 Uhr möchten wir im Ostkurvensaal des Weserstadions in Angesicht der Weltmeisterschaft in Katar den gegenwärtigen Entwicklungen im sogenannte modernen Fußball nachgehen. Wir setzen dabei in den beiden Inputreferaten der Podiumsgäste an zwei für das Kapitalverhältnis typischen herrschaftskonformen Abspaltungen an: der Feindschaft gegen die Moderne und der Feindschaft gegen den jüdischen Staat und versuchen von dort ausgehend dem gegenwärtigen Treiben im Fußball auf den Grund zu gehen. Nach den Inputreferaten wird die Diskussion für alle Anwesenden geöffnet.

Am 01.12. gibt es die vierte Runde des Kneipenabends, weitere Infos dazu folgen noch.

Am 08.12. findet dann wieder der Lesekreis statt.

Warum Israel?

Als kommunistische Gruppe, die mit dem Begriff „antideutsch“ nie Berührungsängste hatte, haben wir schon diverse Male ausgeführt, warum die Kritik an Kapital und Staat für uns notwendigerweise eine Kritik an den negativen Verlaufsformen dieser Kritik miteinschließt. (1) Die Liste an Texten, die erklärt, warum Antizionismus die politische Form des Antisemitismus ist und warum eine unbedingte Solidarität mit Israel fundamentaler Bestandteil einer kommunistischen Kritik am Staat und seinen konkreten Erscheinungen ist, ist lang und soll an dieser Stelle nicht fortgeführt werden.

Trotzdem können wir feststellen, dass die Erkenntnis dieser Texte irgendwo in der sich radikale Linke nennenden Echokammer nach kurzem Widerhall wieder verschwunden zu sein scheint. Während einerseits die Überreste der Antideutschen die Israelfahne als inhaltsloses Symbol der Distinktion gegenüber anderen Linken zur Schau tragen, verfallen andere ehemalige Antideutsche und Antinationale in eine relativierende Haltung und erklären die bedingungslose Solidarität zu einer „Position zu Israel“, deren Gegenseite beispielsweise beim neuen Präsidenten Chiles angesichts anderweitiger politischer Forderungen nicht mehr als weiter relevant erachtet wird. Beide Seiten können – sofern sie sich überhaupt noch die Mühe machen wollen – mit diesen Verfallsformen der Antisemitismus- und Antizionismuskritik wenig zu der gegenwärtig im Fahrwasser des intersektionalen Antirassismus formulierten Gleichsetzung Israels mit kolonialer Gewalt sagen. Sei es, weil sie das ganze Thema als bereits durchdiskutiert erachten, oder aber, weil sie sowieso kein Interesse mehr an der radikalen Linken haben.

Von außen scheint es dabei so, als wäre die Solidarität mit Israel damit innerhalb der radikalen Linken auf dem Rückzug. (2) Vergessen wird dabei, dass es eine Tradition der Israelsolidarität innerhalb der Linken gab, die viel weiter zurückreicht als das, was gemeinhin als antideutsche Szene gilt. Zwei Akteure dieser Solidarität waren Jean Amery und Claude Lanzmann, Freunde Jean-Paul Sartres und Simone de Beauvoirs. Beide waren bemüht, auf unterschiedliche Art und Weise die Entstehung Israels nach dem Ende des zweiten Weltkrieges innerhalb der zur selben Zeit stattfindenden antikolonialen Befreiungskämpfe zu verorten. Sie sahen Israel nicht als Projekt von weißen Europäer:innen, sondern als Versuch der europäischen Judenheit nach Jahrhunderten voller – von Europäer:innen gegen Jüdinnen:Juden ausgeübter – kolonialer Gewalt in Osteuropa, die schließlich in der Shoah mündete, eine Heimstätte aller Jüdinnen:Juden zu finden, die nicht zuletzt auch eine Heimstätte der jüdischen Opfer der postkolonialen arabisch-islamischen Staatwerdungen wurde.

Wir haben bereits in mehreren Texten und Redebeiträgen Bezug auf diese Tradition genommen (3) und wollen nun – anlässlich des 74-jährigen Bestehens des israelischen Staates – uns gemeinsam mit euch intensiver mit einem der wichtigsten künstlerischen Dokumente dieser Tradition beschäftigen. Aus diesem Grund wollen wir am Sonntag den 22.05. den Film Warum Israel?  von Claude Lanzmann schauen, um anschließend über die Eindrücke zu sprechen. Auf Grund der immer noch existenten Pandemie ist die Teilnehmer:innenzahl begrenzt, bitte meldet euch deshalb verbindlich über unsere Mailadresse solariumkgb@riseup.com an.

Mit sonnigen Grüßen,
Solarium – kommunistische Gruppe Bremen



(1) Zum Beispiel in unserem grundlegenden Text hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/07/kapital-staat-ihre-fetische-und-dieses-deutsche-scheiszland/ sowie in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/30/im-eingedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-2/
(2)  Inwieweit Israelsolidarität immer noch als Dorn im Auge der Bremer Linken ist, kann an den Entwicklungen nach einem Angriff auf uns nachvollzogen werden. Zum Vorfall: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/ , zur Relativierung des Vorfalls danach: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/ und zum nicht abnehmenden Gerücht über die Antideutschen: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/05/13/statement-zu-hutbuergerinnenwatch-bremen/
(3)  Zum Beispiel in unserem Text zu den Vorkommnissen im Mai 2021: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/08/10/der-linke-kompromiss-mit-der-herrschaft/ oder aber in einem Redebeitrag hier: https://antideutschorg.wordpress.com/2022/02/04/redebeitrag-vom-27-01-2022/

Redebeitrag vom 27.01.2022

Heute vor 77 Jahren befreiten Rotarmisten der ersten ukrainischen Front unter dem jüdischen Kommandanten Anatoli Schapiro das Konzentrationslager Auschwitz in der heute polnischen Stadt Ośwęicim (Oschwejsim). Heute steht der Name Auschwitz synonym für den industriellen Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Das Eingedenken an die Opfer verpflichtet zu dem kategorischen Imperativ, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei, dass nichts Ähnliches geschehe.“ Dieser Imperativ setzt voraus, die historischen Umstände als die Bedingung der Möglichkeit des Geschehenen zu verstehen und ihre Überwindung anzustreben. Es geht hier und heute nicht um den Versuch, das Leid der Opfer nachzuvollziehen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren. Es geht darum, die Verhältnisse, die dieses Leid ermöglichten, im Eingedenken der Opfer zu denunzieren. Namentlich sind und waren diese Verhältnisse: Kapital, Staat und explizit der deutsche Staat.

Wer behauptet, das Grauen der Shoah habe sich gegen den Zeitgeist und gegen den Lauf des aufgeklärten Weltgeschehens gerichtet, liegt falsch. Es war die bis zur totalen Verwaltung aufgeklärte Welt, die die Shoah erst möglich machte. Die aufklärerische Rationalisierung realisierte nicht nur den industriellen Fortschritt, ohne den die Mordfabriken des Nationalsozialismus nicht denkbar wären. Sie schuf auch die Grundlage einer Kategorisierung der Welt und der sie bevölkernden Menschen, die ihren barbarischen Höhepunkt in den zu Nummern degradierten Insass:innen der deutschen Lager fand. Dem sich als Revolte gegen die Moderne äußernden Nationalsozialismus lag dabei insbesondere das Ressentiment gegen die kapitalistische Moderne in Gestalt des Antisemitismus zugrunde. Die antisemitische Weltanschauung entspringt aus dem Kapitalverhältnis und bestimmt die Jüdinnen und Juden zum absoluten Objekt. Gegenüber der offen zu Tage tretenden Unvernunft, der Unterteilung in Herrschende und Beherrschte wird der Antisemitismus zum Kitt, weil er scheinbar die Einheit der Gesellschaft von Staat und Kapital garantiert. Jüdinnen und Juden wird die Verantwortung für das Elend in der Gesellschaft angelastet. Antisemitismus zeigt sich als Weltanschauung.

Zwar ist Antisemitismus Teil der allgegenwärtigen Totalität des Kapitals, doch es war die historisch besondere deutsche Konstellation, in der es zum industriellen Massenmord kam. Warum ist der Tod also ein Meister aus Deutschland? Was unterscheidet die Nation der Täter:innen von den Alliierten, was die völkischen von den westlichen Staaten? Während sich die westlichen Staaten auf das Aufbegehren der Bevölkerung gegen die Feudalherrschaft berufen, beruft sich der deutsche Nationalmythos auf das Aufbegehren für die Feudalherrschaft und gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Dieses Aufbegehren wurde als Grund für die sogenannten „Befreiungskriege“ im 19. Jahrhundert betrachtet. Als Befreiung wird nicht etwa die Befreiung des Individuums vom Zwang wahrgenommen, sondern die Befreiung des Volkes von der Fremdherrschaft. In diesem Mythos wird das Individuum dem Volkskörper geopfert, anstatt dass sich die Staatsbevölkerung durch das individuelle Aufbegehren konstituiert. Dadurch werden die Mittel zum Zweck: Die Nation ist nicht länger Mittel zur politischen Herrschaft und Antisemitismus nicht länger Mittel zur nationalen Stabilisierung. Stattdessen werden beide zum eigentlichen Ziel ihrer selbst.

Die Last des historisch singulären Verbrechens der Deutschen – sprich: die Shoah – ist heute vom Rechtsnachfolger des NS-Regimes längst umgedeutet worden und wird mit Verweis auf die besondere historische Verantwortung und die weltweit unerreichte Aufarbeitung und Erinnerungskultur allen Ernstes zur Demonstration einer moralischen Überlegenheit instrumentalisiert. Das post-nazistische Deutschland beansprucht nicht trotz, sondern wegen Auschwitz erneut eine Rolle in der Weltpolitik und jede Israelsolidarität, die sich nicht als radikale Ablehnung des Staates von Auschwitz artikuliert, trägt ihren Teil zu dieser Rolle bei. Das deutsche Gedenken ist ein Selbstzweck, dem niemals Taten folgten. Auch wenn das Ticket und der Jargon andere Absichten vermuten lassen, bleibt das Streben nach einer Welt ohne Antisemitismus Selbstbetrug oder Manipulation, wenn es einen Kompromiss mit dem Staat eingeht oder ihn als Mittel zur Durchsetzung vorsieht.

Das geläuterte und wiedergutgewordene Deutschland und seine außenpolitische Selbstwahrnehmung als Export- und Erinnerungsweltmeister wird dabei idealtypisch verkörpert von seinem ehemaligen Außenminister, der nach eigenem Bekunden wegen Auschwitz in die Politik ging, um dann als Außenminister genau jenes iranische Regime zu hofieren und tatkräftig zu unterstützen, das keinen Hehl aus seinem Bedürfnis der atomaren Zerstörung Israels macht und offen die Vernichtung der 9 Millionen Einwohner:innen des jüdischen Staates propagiert. Doch über derlei Ambivalenzen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Jerusalem sollte man doch zumindest auf Augenhöhe und ergebnisoffen diskutieren können. Unter Freund:innen kann man sich auch darauf aufmerksam machen, dass man – auf Grund der gemeinsamen Geschichte – eine gemeinsame Verantwortung bezüglich der Erinnerung hat und keiner diese Erinnerung für „nationalen Egoismus“ missbrauchen sollte, wie die Tagesschau absurderweise festhielt. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass in der gemeinsamen Geschichte der eine Staat genau diejenigen industriell vernichten wollte – und es beinahe geschafft hat – die der andere Staat heute beschützen will. Genauso wird ausgeblendet, dass Israel nur eine einzige Handlungsmöglichkeit gegenüber dem Iran hat, will es dieses Schutzversprechen gegenüber seiner Bevölkerung einhalten. Die Selbstverteidigung mit allen notwendigen Mitteln ist für Israel und seine jüdische Bevölkerung die einzige Möglichkeit zu existieren.

Der Versuch zwischen ehrbarem Antizionismus und bösem Antisemitismus zu unterscheiden blamiert sich dadurch, dass in ihm – meist unbewusst – der Staat gegen das Kapital ausgespielt werden soll. Wie Staat und Kapital sich gegenseitig bedingen, bedingen sich auch die aus ihnen erwachsenden negativen Kritiken einander. Wie Antisemitismus die personifizierte negative Kritik des Kapitals ist, ist der gegen den Juden unter den Staaten gerichtete Antizionismus die negative Staatskritik. Erst in einer befreiten Gesellschaft lässt sich dieser notwendige jüdische Partikularismus mit der geeinten Menschheit versöhnen. In der Welt von Staat und Kapital gibt es nur die Wahl zwischen antisemitischem Massenmord und dem kapitalistisch organisierten jüdischen Staat. Jede antizionistische Israelkritik macht sich also mit dem antisemitischen Mord gemein.

In der Welt von Staat und Kapital scheiterten die jüdischen Hoffnungen auf Emanzipation historisch in doppelter Hinsicht, denn weder gelang ihnen die bürgerliche Emanzipation zu Staatsbürger:innen noch die proletarische zu Sowjetgenoss:innen. Es half ihnen keine soldatische Staatstreue – weder gegenüber dem bürgerlichen noch dem proletarischen Staat – gegen die in Krisenzeiten immer wiederkehrende und neu mobilisierte antisemitische Vereinfachung der Welt. Weder der bürgerlichen Brüderlichkeit noch der proletarischen Solidarität konnten sich Jüdinnen und Juden je sicher sein. Dies bedeutet auch für die materialistische Staatskritik, dass die Solidarität mit Israel als Schutzraum aller Jüdinnen und Juden nicht zur Diskussion steht. Dabei ist es schlicht und ergreifend egal, wie wir als Privatmenschen die aktuelle Regierung oder die dortige außerparlamentarische Opposition bewerten. Es geht nicht darum, dass Israel im Gegensatz zu anderen Staaten irgendwie humaner wäre, sondern darum, dass Israel durch die Inhumanität der anderen Staaten zur einzig möglichen Verteidigung der Jüdinnen und Juden geworden ist.

„Für den Kommunismus“ bedeutet also nicht nur zwangsläufig Krieg den deutschen Zuständen, sondern immer auch Solidarität mit Israel.

Der linke Kompromiss mit der Herrschaft

Antizionismus als linker Kompromiss mit der Herrschaft.

„In Wirklichkeit spekuliert diese Behauptung mit der Tatsache, daß der historische Ursprung des Antisemitismus im Herzen der westlichen Zivilisation liegt, um zu suggerieren, seine Geltung beschränke sich darauf. Aber die Gefahr besteht viel mehr darin, daß er alle ansteckt, die dem Einfluß dieser Zivilisation unterliegen.“
– Leon Poliakov 1


Der folgende Text ist der Versuch damit zu beginnen, die antisemitischen Ereignisse und das Verhalten der Linken hierzulande einzuordnen. Dabei werden viele Gedanken aufgegriffen, die wir an anderer Stelle bereits geäußert haben oder auch Andeutungen auf andere Autor:innen gemacht, die wir nicht in Gänze ausführen können, ohne dass der Text völlig überladen wird. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, mit einem Fußnotenapparat zu arbeiten und so diverse Ergänzungen, Vertiefungen und Erklärungen einzuarbeiten. Wir wollen versuchen, unsere Texte durch diese Methode Leser:innen mit verschiedenen Hintergründen zugänglich zu machen.


Im Mai 2021 fanden die schwerwiegendsten Raketenbeschüsse in der Geschichte Israels statt. Wie immer, wenn Israel angegriffen wird, wurde auch dies von Demonstrationen und einigen antisemitischen Attacken in Deutschland begleitet. Trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus – wobei die (radikale) Linke Bremens auffallend schweigsam war2 – wird gerne außer Acht gelassen, welche radikalen Ausmaße der Antisemitismus in der Gesellschaft annimmt. Dass Juden:Jüdinnen vor Synagogen angegriffen werden, ist leider nichts Neues. Die Aggressionen der Gleichsetzung von Juden:Jüdinnen mit dem Staat Israel, die exemplarisch in Gelsenkirchen zutage traten, lassen allerdings die oft vorgenommene Schlussfolgerung, dass Antisemitismus und sein gesellschaftlich anerkannter Bruder Antizionismus nur von sogenannten ewiggestrigen Heimatverliebten (und solchen, die sich dazuzählen) ausgehen, nicht zu.3 Denn auch auf einer sich als links definierenden Demo am Bremer Osterdeich wurde hemmungslos die Sehnsucht nach einem Nahen Osten ohne jüdischen Selbstschutz propagiert.4  Die Tragweite der Ideologie der islamischen Rechten wird in dieser einseitigen Debatte gerne einfach vergessen.5 Außerdem wird außer Acht gelassen, welche Kontinuitäten und Einflüsse diese Ideologie abseits fundamentalistischer Milieus bereits jetzt besitzt.6 Die im Minutentakt erfolgende Propaganda der „digitalen Intifada“ (Ben Salomo) und die daraus resultierenden Erklärungen, in denen der Nahostkonflikt mal eben in 5 Minuten gelöst wird, ist nur eine von vielen Begleiterscheinungen. Beispielsweise wird Tarek Baé als populärer Antirassist gefeiert. Baé, der ehemalige SETA- und heutige TRT-Mitarbeiter7 , der unter anderem berechtigte Kritik an den organisatorischen Verstrickungen des Zentralrats der Muslime in Deutschland mit türkischen Nationalisten als islamophob denunzierte, wird wie ein unabhängiger Qualitätsjournalist im Kontext des Nahostkonflikts zitiert und geteilt. Bevorzugt wird er dabei als Gegenspieler der als zionistisch imaginierten bürgerlichen Presse inszeniert.

Oft wird darauf verwiesen, dass diese Ideologeme der islamischen Rechten neue, isolierte Phänomene des rechten Rands seien, mit denen es bislang kaum Berührungspunkte gab. Dagegen spricht zum Beispiel in Bremen, dass es bereits 2017 Kontakte von muslimischen Gemeinden zur libanesischen Terrorzelle Hisbollah gab.8 Ein Reportagebeitrag der ARD von 2018 zeigt, dass der lange Arm des autoritären iranischen Regimes, dessen Ideologie inhärent die Vernichtung des Staates Israel fordert,9 bis nach Delmenhorst reicht. Aktueller lässt sich der Al-Quds-Tag nennen, der alljährlich die Vernichtung des israelischen Staates fordert und am 8. Mai in Bremen in Form eines Autokorsos begangen wurde. Doch nicht nur hier lässt sich erkennen, welche einfachen Erklärungen den Menschen nutzen, um dem Juden unter den Staaten das Existenzrecht abzuerkennen. Ebenfalls fand auf dem Bremer Domshof eine antizionistische Demonstration statt, auf der sich ein bekanntes Gesicht der Bremer Linkspartei und die Träger:innen mindestens einer Antifa-Fahne gemeinsam mit türkischen Nationalisten unter den Teilnehmenden einreihten.

Der sich auf Demonstrationen und in Aufrufen artikulierende Antizionismus geriert sich dabei als antikoloniales, ergo antirassistisches Unterfangen, das seinem Bestreben nach fortschrittlich und demnach über regressive Tendenzen wie Antisemitismus erhaben ist. Dieses Narrativ wird zum einen durch die demagogische Konstruktion Israels als koloniales Projekt des Imperialismus und zum anderen durch die stetige Abgrenzung von eindeutig antisemitischen Akteur:innen der islamischen wie deutschen Rechten gestützt. Zurückzuführen ist diese Tendenz auf den zunehmenden Einfluss der gegenwärtigen intersektionalen Ansätze, die Antisemitismus als bloße Herrschafts- und Unterdrückungsform begreifen. So können Unterdrückte – und jene, die als solche betrachtet werden – nicht selbst unterdrückenden Ideologien anhängen. Sie werden zu unmündigen Subjekten, denen die Möglichkeit, selbst zu unterdrücken, abgesprochen wird. Es fehlt ein Begriff davon, dass sich Antisemit:innen etwa in ihrem Hass auf „die da oben“ selbst als Unterdrückte wahrnehmen. Dieser Ansatz kann wesentliche Spezifika des Antisemitismus nicht erfassen und ist daher in seiner Analyse zwangsläufig verkürzt.10 Der Antisemitismusbegriff der pro-palästinenischen, woken Linken geht so in einem Gros der Fälle nicht über eine Form des Rassismus, die sich explizit gegen Juden und Jüdinnen richtet, hinaus. Dadurch verkommt die Antisemitismuskritik zu einem Lippenbekenntnis, das nur der Festigung der eigenen Position dient und keinerlei Widerspruch darin sieht, auf Demonstrationen implizit und explizit die Vernichtung des jüdischen Staates und seiner Bewohner:innen zu fordern.11 

Emanzipatorische Kritik an diesen Zuständen aus vorgeblich antideutschen Kreisen wird dabei allein mit Verweis auf die verortete Gesinnung der Kritiker:innen bestenfalls ignoriert, im Zweifelsfall aber diffamiert. Die explizite Abgrenzung sowohl gegenüber offen antisemitisch auftretenden Antiimperialist:innen als auch vermeintlich rassistischen bzw. „islamophoben“12 Antideutschen erinnert dabei partiell an eine innerlinke Adaption der Hufeisentheorie, als deren gesellschaftliche Mitte sich die Vertreter:innen des antizionistischen Antirassismus wähnen. Parallel zur herkömmlichen Hufeisentheorie werden auch hier Extreme konstruiert, die ohne weitere argumentative Grundlage aus dem konsensbedürftigen Diskurs ausgeschlossen werden können. Gleich der bürgerlichen Mitte ist allerdings auch die linksradikale Mitte nicht über regressive Tendenzen erhaben. Die äußerliche Distanzierung von offen zur Schau getragenem Antisemitismus bedeutet noch keine Absage an israelbezogenen Antisemitismus, Schuldabwehrantisemitismus oder die Relativierung der Shoah.  Die Stigmatisierung der Extrempole – Antideutsche und Antiimperialist:innen – erschwert eine solidarische, innerlinke Kritik an diesen Zuständen. Gerade die Linke, die vermittels der bürgerlichen Hufeisentheorie selbst diffamiert und marginalisiert wird, sollte derlei Immunisierungsstrategien wachsam und kritisch gegenüberstehen. Die aktuellen Entwicklungen weisen jedoch eher in eine gegenläufige Richtung.13

Allerdings wird das Narrativ der rassistischen Antideutschen und die damit verbundene Karte, Antisemitismus und Rassismus gegeneinander auszuspielen, durch Post-Antideutsche, die sich selbst als Rechtsantideutsche sehen, aktuell bestärkt. So gab es Stimmen aus diesem Umfeld, die sich nicht entblödeten, mit der Parole „Antifa heißt Abschiebung“ auf die antisemitischen Vorfälle zu reagieren und so implizit eine antisemitismusfreie westliche Gesellschaft zu proklamieren, anstatt Judenhass in all seinen Facetten als globales Phänomen zu begreifen. Sie reagieren so mit einer rassistischen Logik auf Antisemitismus. Wie nationalistisch und darüber hinaus fatal für Israel diese Logik ist, haben die Genoss:innen von antideutsch.org aufgezeigt: „Hypothetisch angenommen, man könnte überhaupt Antisemiten einfach so abschieben. Ignorieren wir einfach mal, dass Antisemitismus in Deutschland zu Hause ist und die Regierung mit dem Iran Deals macht, der Israel auslöschen will. Was dann? Man schiebt Menschen ab – was ohnehin eine Praxis ist, die kein Kommunist gut finden kann -, die ihren Vernichtungswunsch gegenüber Juden artikulieren und schickt sie in den Libanon oder Gaza-Streifen oder das West-Jordanland? Was tuen sie wohl dort? Man muss schon sehr national gesinnt sein und sich einen Scheiß für die Situation von Juden außerhalb Schlands interessieren, um so etwas zu fordern. Und dazu kommt nun noch all das, was zu recht seit Jahrzehnten von der radikalen Linken an Abschiebungen kritisiert wird.“14

Diese oben beschriebenen Post-Antideutschen sind wesensverwandt mit sich als antikolonial bezeichnenden Antisemiten. Wo sich bei den einen den Jüdinnen:Juden und dem „Jude[n] unter den Staaten“ (Hans Meyer) bedient wird und er zum nutzbaren Objekt gemacht wird, um dem eigenen Hass auf Rassifizierte ein Ventil zu geben, sind es bei den sich als antikolonial verstehenden Linken die fremden, urtümlichen Völker in der Peripherie der Welt, die gerecht und voller Ehrlichkeit ihren Kampf gegen den abstrakten jüdischen Staat und den „großen Satan“ in Form der Vereinigten Staaten von Amerika führen. Beide Logiken ergänzen sich so und nehmen in ihrer rassistischen Kritik des Antisemitismus Elemente antisemitischen Denkens auf, ebenso wie die antisemitische Kritik des Rassismus rassistische Elemente bedient.

Hier deuten sich zwei Seiten derselben Medaille an. Beide Weltbilder sind sich ähnlicher, als sich die sich vermeintlich unversöhnlich gegenüberstehenden Parteien je eingestehen würden. Bei den Post-Antideutschen und bei Teilen der „antikolonialen“ Linken sind die gesellschaftlich Rassifizierten bloße Objekte Weder Juden:Jüdinnen noch Rassifizierte kommen in dieser Logik als selbständige Subjekte vor, sondern bloß als politische Verhandlungsmasse, die die eigenen Herrschaftsvorstellungen legitimiert.. Ob man nun den Jihadisten, der in Gaza nicht in die Norm passende Menschen verbrennt, als Freiheitskämpfer verklärt oder den vor dem Krieg Geflüchteten mit ebenjenen Jihadisten gleichsetzt, um seinem Verlangen nach Rassimus nachgehen zu können -das „Fremde“ ist für beide eine homogene Masse, an der sich eigene Wünsche und Triebregungen entladen können.15 

Der rechtsantideutsche Philozionismus ist nichts anderes als ein Spiegelbild anstelle der notwendigen Überwindung des Antizionismus. Dieser Antizionismus, der sich gegen den jüdischen Agenten der Herrschaft von Staat und Kapital richtet, ist eine konformistische Rebellion, die am Ende die tatsächliche Rebellion gegen die Herrschaft verhindert. Solange Israel existiert, kann die Hamas ihre Herrschaft legitimieren und die notwendig gewalttätigen Anteile dieser Herrschaft auf Israel abspalten. Linke in Deutschland beteiligen sich daran ideologisch, weil auch sie gedanklich den Frieden mit der Herrschaft gemacht haben, wenn sie verlangen, dass sich der Mensch unter irgendein über den Menschen stehendes Konstrukt – wie Kultur, Ethnizität oder Identität – einzuordnen hat. In einem Kollektiv gibt es stets Differenzen, wenn das Kollektiv gemeinsam etwas untergeordnet ist – selbst wenn es nur eine Idee ist – muss es diese Differenzen abspalten können, um handlungsfähig zu bleiben.16 Dass Rechte Antisemit:innen sind, erachten wir im Übrigen nicht weiter für erwähnenswert, erklärt es sich doch von selbst, dass Kollektive von Menschen, die der Herrschaft affirmativ gegenüberstehen, auch kein Problem mit herrschaftslegitimierenden Ideologien haben. Doch dass Linke, die wir eigentlich als Genoss:innen im Kampf gegen Herrschaft sehen, in ihrem Denken einen Kompromiss mit der Herrschaft gemacht haben, können wir nicht so einfach akzeptieren – schließlich brauchen wir die Bundesgenossenschaft mit ihnen im Kampf gegen Staat, Kapital und ihre rechten Verteidiger.

Die Theorien des Anti- und Postkolonialismus versagen in ihrem Versuch, die Problematik des Antizionismus zu verstehen. Das hat einerseits damit zu tun, dass der Antikolonialismus historisch – so gerechtfertigt er im konkreten Moment sicherlich auch war – kein Angriff gegen die Herrschaft als solche ist, sondern der Versuch, die Herrschaft in die Hände des eigenen Volkes zu legen. Daraus resultieren tendenziell die oben beschriebenen Abspaltungsmechanismen. Vor allem aber liegt es oft daran, dass Kolonialismus als Erklärung nicht weiter in historische Entwicklungen eingebettet wird und Europa als ein kolonisierender Block verstanden wird. So fällt etwa unter den Tisch, dass kolonialistische Bewegungen überhaupt Juden:Jüdinnen aus dem heutigen Israel vertrieben, dass Osteuropa, die neue Heimat vieler Juden:Jüdinnen, selbst wiederum koloniale Spielfläche dreier imperialer Großmächte war und nicht zuletzt, dass die koloniale Expansion sehr häufig mit Versuchen einer antisemitischen Homogenisierung im Inneren einherging: 1492, das Jahr, in dem Kolumbus die Kolonisierung der Amerikas einleitete, war auch das Jahr, in dem Juden aus Spanien vertrieben wurden.

Kapitalismus – als dessen immanente Bestandteile Kolonialismus und Imperialismus verstanden werden müssen – lässt sich spätestens seit dem historischen Moment, in dem Herrschende und Beherrschte sich kollektiv zum Judenmord zusammenschlossen, nicht auf ein einfaches Herrscher versus Beherrschende-Schema reduzieren17. Der antikoloniale Befreiungskampf, der sich gegen koloniale Herrschaft auflehnt, schafft es nicht aus dem kapitalistischen System herauszutreten und fällt selbst in kapitalistische Muster zurück, wenn er etwa einen Staat errichtet. Zugleich wird die für den antikolonialen Befreiungskampf notwendige Kollektivierung selbst repressiv nach innen, weil auch sie eine Triebunterdrückung von ihren Mitgliedern verlangt. Antizionismus und Antisemitismus können die hier nötige Abfuhr angestauter Triebe und zugleich eine Legitimation des Verzichts liefern. Diese Mechanismen werden jedoch von einer Kritik des Kolonialismus, die sich einer dialektischen Betrachtung des Kapitalverhältnisses verweigert, nicht erfasst. Im Gegenteil, sie werden sogar reproduziert.

Das in postkolonialen Zusammenhängen verbreitete Narrativ der weißen und rassistischen Antideutschen wiederum erfüllt das, was Sartre als Tatbestand des Antisemitismus definiert: die totale Wahl. Die eigene Anschauung wird unangreifbar, indem Kritiker:innen des Antisemitismus als Rassisten betrachtet und so aus der Linken ausgeschlossen werden. Mit Verweis auf psychoanalytische Theorien des Antisemitismus kann man davon ausgehen, dass, je vehementer das Narrativ bedient wird, desto mehr die antisemitischen Individuen selbst eine Ahnung davon besitzen, dass sie antisemitisch agieren oder sich in ihrem Denken noch längst nicht frei von den Denkformen des Kapitals gemacht haben. Eine Ahnung, die sie sich nicht eingestehen können, sehen sie sich doch als Postkoloniale im essentialistischen Antagonismus zur gesellschaftlichen Herrschaft. Die antisemitische Projektion ist das bewährteste Mittel, um dieses fetischisierte Denken – die immer nur relativ mögliche Rebellion wird in das Individuum hineingelegt – aufrechtzuerhalten: Das Festhalten am Antisemitismus und die Verdrängung der schmerzhaften Einsicht der eigenen Verstrickung erfüllt so die Funktion von „self care“.18 Wir haben am eigenen Leib erfahren, wie sich antisemitische Narrative materialisieren und wie kollektiv die ausgeübte Gewalt rationalisiert wird, um jede schmerzhafte Selbsterkenntnis im Keim zu ersticken.

Den hier angedeuteten antisemitischen Angriff haben wir in zwei früheren Texten mehrfach analysiert und Falschbehauptungen richtig gestellt.19 Dennoch scheint es angesichts der sich hartnäckig haltenden Lügen relevant zu sein, zumindest den Versuch zu wagen, diesen entgegenzutreten. Trotz unseres Bewusstseins, dass die Personen, welche die Wahl getroffen haben, Antisemit:innen zu sein, sich von einer weiteren Darstellung wenig beeindrucken lassen, hoffen wir zumindest darauf, dass diesen Antisemit:innen und ihren Falschbehauptungen künftig mehr Gegenwind anstelle von unkritischer Zustimmung und Verbreitung entgegenschlägt.

Nach der Ermordung von Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov und Gabriele Rathjen20 am 19. Februar in Hanau durch einen faschistischen Terroristen gab es in vielen Städten Gedenkveranstaltungen für die Ermordeten. So wurde auch in Bremen ein Gedenkspaziergang durch das Viertel in Richtung Innenstadt veranstaltet, der bereits zuvor als Demo nach einem rechten Brandanschlag auf die Friese angemeldet war. Zu dieser Demonstration trafen sich viele über die Anschläge Erschütterte zum gemeinsamen Gedenken, so auch unsere Gruppe. Da wir auf diesem Gedenkspaziergang auf den antisemitischen Hintergrund des Täters aufmerksam machen wollten, nahmen wir uns zwei (ca. 20x15cm große) Israelfähnchen mit. Getroffen wurde zwar kein Jude* und keine Jüdin* dennoch waren auch sie mit dem Angriff gemeint.21 Nach Erreichen des Versammlungsorts entdeckten wir weitere Nationalflaggen, unter anderem kubanische und kurdische, welche offensiv geschwungen wurden.22 Dieser Eindruck verleitete uns zu dem Trugschluss, dass unsere im Vergleich winzigen Flaggen mit dem Davidstern kein großes Aufsehen erregen würden.

Nach einem erfreulichen Kommentar zu den israelischen Fähnchen und zwei irritierenden Gesprächen setzte sich der Zug in Bewegung. Nach ein paar Minuten zerstreute sich unsere Gruppe, da wir nicht mit Bedrohungen auf einer Gedenkveranstaltung rechneten. Als zwei Gruppenmitglieder mit den Fähnchen an einer ca. 10-15 Personen umfassenden Gruppe vorbeilief, erfolgte der antisemitische Angriff. Aus dieser großen Gruppe heraus löste sich zuerst ein (mittlerweile in Hamburg lebender) stadtbekannter Antisemit und versuchte lautstark und aggressiv, einem erschrockenen Gruppenmitglied die Flagge mit dem Davidstern zu entreißen. Das besagte Gruppenmitglied suchte Schutz am Rande der Demo, doch der Aggressor, angestachelt von der tatkräftigen Unterstützung seiner Gruppe, versuchte weiterhin uns die Flaggen zu entreißen. Nur durch das beherzte Eingreifen weiterer Demoteilnehmer:innen konnte der Angriff auf unsere bei weitem unterlegene Gruppe abgewendet werden. Im Nachgang wurden wir noch bespuckt und verängstigt und gedemütigt von den Angreifer:innen zurückgelassen. Diese konnten trotz unserer Berichterstattung den Anmelder:innen gegenüber weiter an der Demo teilnehmen und uns noch ein weiteres Mal verbal bedrohen, bis wir die Demo verließen. Später durften wir mehrfach lesen, dass wir nicht Opfer eines antisemitischen Angriffes gewesen seien, sondern rassistische Aggressoren.23

Die im Nachgang immer wieder ins Gespräch gebrachte Kategorisierung um den Begriff Rassismus zeugt im Kontext des Antisemitismus von einer unzureichenden Analyse des Nationalsozialismus. Das Verständnis von Nationalsozialismus als kolonialistisch-imperialistisches Phänomen, also als Symptom des Kapitalismus, verkennt, dass die nationalsozialistische Volksgemeinschaft die negative Aufhebung des Widerspruchs von Kapital und Arbeit war, die zum kollektiven Massenmord der Shoah führte. Die Shoah wurde nicht aus wirtschaftlichem Interesse begangen, sondern um die als übermächtig imaginierten Juden:Jüdinnen auszulöschen. Hier zeigt sich auch der bereits zuvor angesprochene Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus, den viele Postmoderne und Antiimperialist:innen oftmals ignorieren. Rassismus geht von den minderwertigen Anderen aus, während Antisemitismus von den übermächtigen Juden und Jüd:innen ausgeht, die wegen ihrer Übermacht umso konsequenter vernichtet werden müssen, denn der/die Antisemit:in geht von der drohenden eigenen Vernichtung aus. Deswegen wurden auch vor allem Osteuropäer:innen zur Zwangsarbeit eingesetzt, während Juden und Jüd:innen primär vernichtet wurden. Die postmoderne Faschismustheorie begreift den Nationalsozialismus zwar nicht nur als kolonialistisch bzw. imperialistisch, wie im antiimperialistischen Verständnis, sondern auch als weiß. Jedoch bezog sich die nationalsozialistische Rassenideologie – zumindest in erster Linie – auf andere Kriterien als dem der Hautfarbe, mit denen die Grenze zwischen Volksgemeinschaft und den zu versklavenden Osteruopäer:innen, den Sinti und Roma und den zu vernichtenden Juden und Jüd:innen gezogen wurde. 

Die Außenpolitik des Deutschen Reiches war unter anderem weniger weiß im postmodernen Sinne und vielleicht sogar antikolonial in den Augen einiger postkolonialen Antizionist:innen.24 Mit einem arabischsprachigen Propaganda-Sender wurde antisemitische Propaganda mit islamistischem Kitsch aus Zeesen bei Königs Wusterhausen nach Jerusalem gesendet. Das Narrativ von Großbritannien und den USA als jüdisch kontrolliert und nach der Vernichtung des Islams strebend kombiniert mit der historischen Tatsache, von diesen Kolonialmächten besetzt und ausgebeutet worden zu sein, bot einen verlockenden Anreiz, um der antisemitischen Ideologie zu verfallen und auf ihr das eigene homogenisierte und ideologisch mobilisierte nationale Projekt aufzubauen. Auch wenn Hitler in „Mein Kampf“ über Araber:innen herzieht25, versuchte er sie als Teil eines antisemitischen Zweckbündnisses zu mobilisieren, um die Gründung eines jüdischen Staates zu verhindern.26 Im Zweifel überwindet die Volksgemeinschaft ihren Rassismus, solange der Antisemitismus eint.

Die Zusammenarbeit und Propaganda blieb nicht folgenlos. 1945 lebten 900 000 Juden und Jüdinnen in den arabischen Staaten. Aktuell sind es 4500.27 Juden sind zwischen die Fronten im ungleichen Krieg zwischen Orient und Okzident geraten, den postkoloniale Theoretiker:innen und Aktivist:innen zu Recht untersuchen und kritisieren.28 Israel, der Schutzraum der Juden:Jüdinnen, war und ist kein kolonialer Staat, auch wenn er heute diverse Institutionen der westlichen Staaten übernommen hat.29 Doch waren die ersten strategischen Partner Israels nicht westliche Staaten, sondern die Sowjetunion und die slawischen Staaten, deren Bewohner:innen die Opfer des innereuropäischen Kolonialismus und Nationalsozialismus waren. Eigentlich ist Israel ein antikoloniales Projekt, weil es den im Kolonialismus Entwurzelten – europäischer wie arabischer Provenienz – eine Heimat bietet, da in der Frontstellung, die der Antikolonialismus produziert, Juden nirgends dazugehören. Doch genau diese Erkenntnis geht im Zuge der einseitigen Betrachtung verloren, ebenso wie die historische Tatsache, dass im Antisemitismus Herrschende (deutsches Bürgertum bzw. Europa) und Beherrschte (deutsches Proletariat bzw. arabische Welt) sich gegen die Juden zusammentun.

Dies alles kann nur eine erste Skizzierung der Problemkonstellation sein. Wir hoffen jedoch, dass sie zumeist die Grundlage für eine dringend notwendige Debatte schafft, die im Mai ausgeblieben ist. Uns geht es hier wie anderswo darum, aufzuzeigen, wie sich Denkformen der Herrschaft des Kapitals auch in den Köpfen derer niedergeschlagen haben, die nicht selbst herrschen oder die Herrschaft gutheißen. Wir werden uns in den nächsten Monaten weiter mit den hier angeschnittenen Themen beschäftigen und dazu auch einige Diskussionsveranstaltungen organisieren.

In diesem Sinne,
Nie wieder Deutschland,
Solidarität mit Israel,
& für den Kommunismus,
Solarium.

1 Weiter schreibt Poliakov, Shoah-Überlebender und Autor der umfangreichen Studie „Geschichte des Antisemitismus“, in seiner Polemik „Vom Antizionismus zum Antisemitismus“: „So tritt etwa im 19. Jahrhundert das facettenreiche Phänomen des jüdischen Antisemitismus auf. Und in den USA hat sich in jüngster Zeit gezeigt, daß Schwarze den besten Nährboden für den Antisemitismus abgeben. Soll man da wirklich glauben, dass einzig und allein die Araber sich einer Immunität oder gar einer besonderen Allergie gegen den Antisemitismus erfreuen?“ Mehr zum Antisemitismus der US-amerikanischen Black Panther Bewegung: : https://monde-diplomatique.de/artikel/!5568215

2 Als Ausnahme ist hier das Bremer Bündnis gegen Rechts zu nennen, das auf Twitter ein Statement veröffentlichte: https://twitter.com/bgrBremen/status/1400725367195906049

3 Als solch vermeintlich „Ewiggestrige“ können sowohl klassische Neonazis wie die NPD als auch nicht-autochthone Autoritäre wie die Grauen Wölfe verstanden werde. Beide sind als Teil einer globalen Rechtsradikalen offen antisemitisch und auch antizionistisch.

4 Wie AfD-Watch Bremen berichtet – und dafür durchaus Kritik erntet – wurde auf dieser Demo, die sich von Antisemitismus distanzierte, die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“ gerufen. Diese Parole imaginiert ein Palästina, das vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer reicht und impliziert die Vision eines Nahen Ostens ohne Israel. Dass dieser Nahe Osten ohne Israel auch ein Naher Osten ohne Juden wäre, zeigt die Geschichte des Ausschlusses – zumeist antizionistischer – Juden aus der palästinensischen und anderen arabischen Nationalbewegungen, die der Staatsgründung vorausging und maßgeblich zur Verbreitung der zionistischen Idee unter den Juden der arabischen Welt beitrug. Lesenswert dazu: Nathan Weinstock – Der zerrissene Faden, besonders das Kapitel: „Das heilige Land“.

5 Weil sich die Demo am Osterdeich von dieser „islamischen Rechten“ distanzierte, meinten Teilnehmende in mehreren Diskussionen, dass diese Demo auch frei von derartigen Ideologien wäre. Eine Reflexion darüber, wie weit diese Ideologien bereits in der positiven Bezugnahme auf die palästinensische Nation (und die Akzeptanz des von ihr definierten Ausschlusses von Juden:Jüdinnen) stecken, fand nicht statt. Stattdessen wehte die palästinensische Fahne als einzige auf der Demonstration, weder die rote noch die Antifa-Fahne oder sonstige über die Nation hinausweisende Fahne waren zu sehen.

6 Der Begriff des Volkes (oder auch der Nation) ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie rechte Ideologien es – nicht nur in diesem Fall – in linke Mobilisierungen und Gedanken hineingeschafft haben. Eine Nation ist nie etwas anderes als die kulturelle Homogenisierung eines Staatsvolkes und somit notwendigerweise affirmativ gegenüber den bestehenden Verhältnissen. Ihr wohnt immer ein Moment des Abschlusses inne. Auch Israel ist hier keine Ausnahme, sondern bloßer Beweis der Macht dieser Verhältnisse, in denen Juden:Jüdinnen gezwungen sind, auf ebenjene Homogenisierung zurückzugreifen, um nicht selbst vernichtet zu werden. Der Staatsgründung Israels gingen zwei an dieser Homogenisierung gescheiterte jüdische Emanzipationen voraus: die der Juden:Jüdinnen zum Staatsbürger und die zum Sowjet, da sowohl die bürgerlichen Staaten des Westens als auch die Sowjetunion ihre staatliche Homogenisierung – ergo Machtstabilisierung – auf dem Rücken der jüdischen Gemeinschaft ihrer jeweiligen Länder ausübten. In einem Redebeitrag haben wir dazu mal gesagt: „Es geht nicht darum, dass Israel im Gegensatz zu anderen Staaten irgendwie humaner wäre, sondern darum, dass Israel durch die Inhumanität der anderen Staaten zur einzig möglichen Verteidigung der Jüdinnen und Juden geworden ist.“ Siehe: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/01/30/im-eingedenken-an-die-opfer-des-nationalsozialismus-2/

7 SETA ist eine wissenschaftliche Stiftung, die dem Erdogan-Regime nahesteht. TRT ist das türkische Pendant zu Russia Today, also ein Propaganda-Instrument des Erdogan-Regimes. Es wundert also nicht, dass Baé keine Probleme mit dem Einfluss türkischer Nationalisten im Zentralrat der Muslime hat.

8 Siehe: https://www.mena-watch.com/deutsches-islam-zentrum-sammelt-geld-fuer-die-hisbollah/]

9 Zur antisemitischen Ideologie des iranischen Regimes ist das Buch „Suicide Attack“ von Gerhard Scheit zu empfehlen, der zum Thema auch diverse Vorträge gehalten hat, die auf YouTube zu finden sind: https://www.youtube.com/watch?v=On1VWbKjaa8 & https://www.youtube.com/watch?v=pmwEnnHAr44

10 Es verwundert nicht, dass der Antisemitismus – anders als der Rassismus – das Anti bereits im Namen trägt und auch in seinem Selbstverständnis diese gefühlte Rebellion trägt. Während der Rassismus die Höherwertigkeit einer ethnischen Gemeinschaft postuliert und so ihre Herrschaft positiv stützt, imaginiert der Antisemitismus die Herrschaft einer Elite, gegen die er sich positioniert. Näheres zum Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus hat Joachim Bruhn geschrieben, der im Antisemitismus den Hass auf die vermeintlichen Übermenschen und im Rassismus den Hass auf die vermeintlichen Unmenschen sieht: https://www.ca-ira.net/wp-content/uploads/2018/06/bruhn-deutsch_lp.pdf

11 Dadurch ergibt sich auch eine Gemengelage, in der sich ein antisemitischer Antirassismus artikuliert, den wir an anderer Stelle bereits kritisiert haben: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/. Siehe auch https://taz.de/Autorin-ueber-modernen-Antisemitismus/!5784415/

12 Wir haben den Begriff in Anführungszeichen gesetzt, weil er unserer Meinung nach fälschlicherweise einen Rassismus – der die Religion lediglich als Mittel zum Zweck, als inhaltliche Ausgestaltung seines Ressentiments sieht – mit einer Kritik an einer Religion in einen Topf wirft. Es ist kein Zufall, dass der Begriff vom iranischen Regime, dem die islamische Religion zur Legitimation ihrer Herrschaft dient, popularisiert wurde. In der Taz konnte man dazu bereits 2010 lesen: „Wenn man sich die Entstehungsgeschichte des Wortes anschaut, muss man an dessen Tauglichkeit und begrifflicher Trennschärfe zweifeln. Glaubt man den Publizistinnen Caroline Fourest und Fiammetta Venner, dann kam das Wort erstmals im Iran nach der Islamischen Revolution von 1979 auf: Den Mullahs diente er als politischer Kampfbegriff, um ihre Gegner zu diffamieren.

Bis in die Gegenwart wird der Begriff in diesem Sinne durch islamische und islamistische Organisationen wie die Islamic Human Rights Commission in Großbritannien instrumentalisiert, die fast jede kritische Stimme mit diesem Schlagwort belegt. Zum anderen steht „Phobie“ von der Wortbedeutung her für ein besonders ausgeprägtes Gefühl der Angst, das über ein vertretbares Maß hinausweist. Es soll hier aber nicht um individuelle Emotionen, sondern um reale Diskriminierung gehen und um eine Feindseligkeit, die sich gegen Muslime als Muslime richtet.“ Siehe: https://taz.de/Debatte-Islamophobie/!5135490/

13 Auch das ist ein Beispiel für die linke Übernahme eines rechten Ideologems. Der Rechten dient die Hufeisentheorie dazu, sich einerseits des eigenen antisemitischen NS-Erbes zu entledigen, während man zugleich jede Form linker Gesellschaftskritik, die nach den Ursprüngen der NS-Ideologie und ihrer Massenbasis in der Mitte fragt, diffamiert. Die Übernahme dieser Denkstruktur in der Linken hat den gleichen Effekt: das antisemitische Erbe, das über Stalinismus und Maoismus bis hin zur postkolonialen Theorie Edward Saids reicht, wird verdrängt, während zugleich die grundlegende Kritik am Antisemitismus diffamiert wird.

14 Siehe: https://twitter.com/antideutsch_org/status/1394712751587594248

15 Projektionen wie die hier dargelegten verraten einem nie etwas über den Gegenstand, aber immer viel über jene, die von ihm sprechen. Wer im Jihadismus einen Freiheitskampf sieht, der träumt von einer Welt, in der jede Form der bürgerlichen Vermittlung von Herrschaft aufgehoben ist, gerade weil man selbst dermaßen in diesen verstrickt ist. Wer den Geflüchteten per se als Jihadisten sieht, der weiß um die eigenen Triebregungen, die der bürgerlichen Vermittlung im Weg stehen und spaltet sie so auf das rassifizierte Objekt ab.

16 Hier sind wir wieder beim Punkt der Homogenisierung. Dazu haben wir an anderer Stelle geschrieben: „1998 erschien Leah C. Czolleks Text Sehnsucht nach Israel, in dem sie sich mit der Allgegenwart eines linken und feministischen Antisemitismus beschäftigte, die Weigerung der deutschen Linken, das Problem des Antisemitismus ernst zu nehmen, scharf kritisierte und ihre eigene Erfahrung als Jüdin innerhalb dieser Gruppen durchzuarbeiten versuchte. Der Text ist getragen von der Enttäuschung einer linken und feministischen Jüdin, dass ausgerechnet ihre Genoss*innen, mit denen sie gegen die herrschende Gesellschaft kämpfen möchte, den Antisemitismus der herrschenden Gesellschaft selbst reproduzieren. 18 Jahre später reflektierte sie erneut diesen Text und stellte erschüttert fest: „Solidarität haben Juden und Jüdinnen in der feministischen und antirassistischen Szene nicht zu erwarten.“7 Die Überlegungen, die sie zu diesem Urteil kommen lassen, können einiges zum Verständnis der hier behandelten Debatte beitragen. Für Czollek beginnt das Problem bereits in der geforderten Positionierung, welche die Illusion beinhaltet, eine gesellschaftliche Position ließe sich auf einen klaren Nenner bringen, gewissermaßen essentiell im Individuum fixieren.8 „Jede Irritation“, schreibt sie, „soll vermieden werden. Auf irgendeine Art soll die Unberechenbarkeit der Pluralität, die Unübersichtlichkeit der Pluralität, das Chaos der Pluralität gebannt werden.“9 In diesem Zwang zur Positionierung – auf den wir bereits im letzten Statement mit dem Begriff Zwangs-Outing eingegangen sind – manifestiert sich ein Streben nach „Reinheit und Einfachheit. Es sollen sichere Orte geschaffen werden, indem alles draußen zu bleiben hat und jene vor der Tür bleiben müssen, die die Reinheit stören.“10 Die Reinheit der Allianz gegen Diskriminierung wird dabei jedoch nicht dadurch gestört, dass Antisemit*innen im Block mitlaufen, sondern einzig und allein durch zwei israelische Flaggen, die diesen Zustand erst deutlich machen und deshalb als Eindringlinge ausgemacht und mit aller Macht abgewehrt werden müssen.“ Siehe: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/

17 Genau darin liegt für Kommunist:innen die Besonderheit von Auschwitz. In der antisemitischen Massenvernichtung wurden die Unterschiede zwischen Herrschenden und Beherrschten, Arbeiter:innen und Kapitalist:innen aufgehoben. Es waren nur noch Deutsche, die gemeinsam die Endlösung anstrebten. Genau diese Möglichkeit der absoluten Vereinigung der Klassen – ohne sie abzuschaffen – bietet der Antisemitismus noch heute.

18 In dem die Unterdrückungserfahrung nicht mehr als Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse gesehen wird, sondern in die Körper der Unterdrückten selbst hineingelegt wird, wird sie fetischisiert. Anstatt zu erkennen, dass Unterdrückte in bestimmten Situationen selbst unterdrücken, müssen Opfer des Antisemitismus der Unterdrückten zu Weißen und damit per se zu Tätern gemacht werden. Die eigene Verstrickung in Herrschaft kann so abgespalten werden.

19 Siehe: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/ & https://antideutschorg.wordpress.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/

20 Auch die Mutter des Täters war ein Opfer. Dieser Femizid darf in der Betrachtung des Attentates nicht unter den Tisch fallen gelassen werden,

21 Ein Blick in das Manifest des Attentäters zeigt diese Verstrickung von Antisemitismus und Rassismus sehr deutlich.

22 Die Behauptung, dass nicht die Israelfahne, sondern generell das Tragen einer Nationalfahne der Grund für den Angriff – der gerne als Intervention abgetan wird – war, ist und bleibt eine Verdrehung der Tatsachen. Wie wir bereits in der Antwort auf ein Statement der Administratoren der Telegram-Gruppe Hütbürger:innen Watch klargestellt haben: „Das Statement schließt damit, dass erneut Falschaussagen über den antisemitischen Angriff auf unsere Gruppe Anfang des Jahres 2020 verbreitet werden, um uns als „Wiederholungstäter:innen“ darstellen zu können. Das Narrativ, dass wir „als weiß männlich dominierte Gruppe“ auf der Demo aggressiv eine Eskalation erzwingen wollten und dabei für „Faschos“ gehalten wurden, ist dabei ebenso an den Haaren herbeigezogen wie das angebliche Verbot von Nationalflaggen, über das wir uns hinweggesetzt hätten. Es gibt ein Video, das deutlich zeigt, dass wir mit zwei kleinen Israelfähnchen versuchten, den BIPoC-Block zu passieren, um in den vorderen Bereich der Demo zu gelangen. Dabei wurden wir von einem – nicht nur uns bekannten Antisemiten – als Hurensöhne beleidigt und angespuckt. Im danach entstehenden Tumult konnten wir nur durch die Hilfe von uns Unbekannten unbeschadet aus der Situation herauskommen. Hätten wir provozieren wollen und die Auseinandersetzung gesucht, wären wir sicherlich besser auf derartige Reaktionen vorbereitet gewesen. Der Angreifer trug übrigens eine Kuba-Fahne, was ebenso wenig wie sein antisemitischer Angriff als Grund gesehen wurde, ihn von der Demo zu verweisen. Wir haben uns in zwei Texten ausführlich zu diesen Vorwürfen geäußert und werden auch in naher Zukunft die Beweislage in Gänze veröffentlichen, um derartige Mythenbildung und Täter/Opfer-Umkehr als das zu entlarven, was sie sind: antisemitische Propaganda. Diese Propaganda wird von dem Statement von „Hutbürger:innenwatch Bremen“ erneut verbreitet, was die zahlreichen Bekenntnisse gegen Antisemitismus in etwa so glaubwürdig erscheinen lassen wie die eines Heiko Maas.“ Siehe: https://antideutschorg.wordpress.com/2021/05/13/statement-zu-hutbuergerinnenwatch-bremen/

23 Die genaue Ausführung des Vorfalls haben wir bereits im direkten Anschluss der Demo veröffentlicht: https://antideutschorg.wordpress.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/

24 Es gab zahlreiche Sympathie für den Nationalsozialismus bei den Kolonisierten des britischen Empires, wie Uli Krug basierend auf einem Buch von Dan Diner hier darlegt: https://jungle.world/artikel/2021/14/der-vergessene-ozean)

25 Folgerichtig kursieren im arabisch-sprachigen Raum überarbeitete Ausgaben, die entsprechende Passagen heraus kürzten und bis heute ideologischen Einfluss auf nationalistische Bewegungen ausüben.

26 Siehe dazu: https://www.deutschlandfunk.de/ns-und-naher-osten-exportierter-antisemitismus.886.de.html?dram:article_id=461073 

27 Siehe dazu das bereits erwähnte Buch von Nathan Weinstock: Der zerrissene Faden.

28 Bei Edward Said, der den Orientalismus als Diskurs des Okzident untersuchte, werden Juden:Jüdinnen pauschal dem Okzident zugezählt. Um dies argumentativ aufrechtzuerhalten, muss er dann auch die gesamte Kooperation der deutschen mit den arabischen Antisemit:innen unterschlagen. Diese Kooperation beweist einmal mehr das Potential des Antisemitismus, Herrschende (Okzident) und Beherrschte (Orient) zusammenzubringen.

29 Auch das hat historische Gründe. Denn es war die westliche Demokratie und die auf westlichen Prinzipien basierende Sowjetunion, welche historisch den Juden:Jüdinnen die Emanzipation von feudaler Unterdrückung versprachen.

Statement zu Hutbürger*innenwatch Bremen

Liebe Genoss:innen und Kritiker:innen,
Gestern – am 12. Mai 2021 – erreichte uns ein Statement des Telegram-Kanals „Hutbürger:innenwatch Bremen“, in dem verschiedenste Vorwürfe gegen unsere Gruppe erhoben wurden. Für uns als Gruppe ist es selbstverständlich, dass wir uns mit derartigen Vorwürfen selbstkritisch auseinandersetzen. Wir wissen, dass wir und unsere Positionen streitbar sind und sind genau deshalb stets bereit, diese zu begründen, zur Disposition zu stellen sowie eigenes Fehlverhalten einzugestehen. Wie leider viel zu oft, liest sich besagtes Statement zunächst wie Hieroglyphen, die es zu entschlüsseln gilt. Einen direkte Mail, die uns mehr Kontext als das Statement geliefert hätte, gab es leider auch nicht.


So wichtig wir Selbstreflexion finden, so wenig ist uns diese möglich, wenn die Anschuldigungen nicht konkretisiert werden. Wir finden es selbstverständlich sehr begrüßenswert, wenn in öffentlichen Statements keine Details über unsere Gruppenmitglieder veröffentlicht werden, allerdings ist es uns ohne Benachrichtigung per Mail kaum möglich, aus den Vorwürfen heraus interne Konsequenzen zu ziehen. Derartige Statements legen also nahe, dass es nicht darum geht uns zu kritisieren, sondern uns zu dämonisieren. Dazu reicht es, die bereits existierenden Narrative über uns zu bedienen und mit einigen vage bleibenden Äußerungen weiter zu unterfüttern. 


Konkret wird uns zum einen vorgeworfen, dass ein „führendes Mitglied“ unserer Gruppe ein „transfeindliches Verhalten“ an den Tag gelegt hat. Abgesehen davon, dass wir als postautonome Kommunist:innen nichts von einer Führungsebene innerhalb der Gruppe wussten, haben wir dennoch versucht, die verschiedensten Interaktionen einzelner Gruppenmitglieder der letzten Wochen – die dank Covid nicht besonders zahlreich waren – nachzuvollziehen. Wir gehen davon aus, dass sich der Vorwurf konkret gegen eine Genossin richtet, die einen Tweet zur Debatte über die Bezeichnung des 8. März favorisierte und erklärte, dass sie aktuell keinerlei Energie habe, diese Diskussion erneut zu führen. Aufgrund dessen wurde zunächst davon ausgegangen, dass sie sich als Cis-Frau versteht, um ihr anschließend als solche ein Gespräch darüber aufzuzwingen. Sie verwies darauf, dass sie dieses Gespräch gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt führen würde und machte darauf aufmerksam, dass sie bisher nicht dazu kam, sich zu positionieren. Ein späteres Gesprächsangebot wurde abgelehnt, was unsere Genossin akzeptierte und noch einmal darauf verwies, dass sie den Umgang ihr gegenüber als übergriffig empfunden habe. Die Screenshots des besagten Gespräches liegen uns in Gänze vor. Das Festhalten des politischen Subjekts Frau, wie es beispielsweise Koschka Linkerhand stark macht, erachten wir als ebenso wenig problematisch wie das Beharren einer Frau auf ihrem „Nein“. Als Materialist:innen sind wir weiter der Meinung, dass dieses Verhalten gegenüber unserer Genossin als Misogynie bezeichnet werden muss, ganz egal von wem sie geäußert wird – ergo, egal mit welchem Geschlecht sich das entsprechende Subjekt identifiziert.


Weiter ist zu lesen, dass im Anschluss daran „eine öffentliche, kontextlose Antisemitismusunterstellung bei dem Privataccount der betroffenen Person durch einen antideutschen Account, der von „Solarium“ mit geführt wird und/oder in engem Austausch steht“ erhoben worden sei. In diesem Falle handelt es sich um den Account unserer Genoss:innen von antideutsch.org, mit denen wir in der Tat in engem Austausch stehen. Auf Nachfrage gaben unsere Genoss:innen an, dass sie unter dem Bild eines Transpis mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus“ anmerkten, dass Antisemitismuskritik ohne Israelflagge bedeutungslos sei. Eine Aussage, der wir klar zustimmen können. Darüber hinaus ist unserer Meinung nach nicht nur der Kontext klar ersichtlich, sondern der Tatbestand des „Vorwurfs“ wird schlicht nicht erfüllt. Wir sehen uns nicht dazu imstande, über das Social Media-Verhalten unserer Genoss:innen zu urteilen und zu entscheiden, ob es legitim ist, auf einem öffentlich einsehbaren Profil kritisch zu kommentieren. Ein Profil, das darüber hinaus offensichtlich mit einem Twitteraccount verbunden ist, der kein Problem darin sieht, den Antisemit:innen vom Roten Aufbau Hamburg eine Plattform zu geben und sich gleichzeitig als Kritiker:in von Antisemitismus darzustellen. Wir können die Kritik an derartiger Heuchelei inhaltlich sehr gut nachvollziehen.


Das Statement schließt damit, dass erneut Falschaussagen über den antisemitischen Angriff auf unsere Gruppe Anfang des Jahres 2020 verbreitet werden, um uns als „Wiederholungstäter:innen“ darstellen zu können. Das Narrativ, dass wir „als weiß männlich dominierte Gruppe“ auf der Demo aggressiv eine Eskalation erzwingen wollten und dabei für „Faschos“ gehalten wurden, ist dabei ebenso an den Haaren herbeigezogen wie das angebliche Verbot von Nationalflaggen, über das wir uns hinweggesetzt hätten. Es gibt ein Video, das deutlich zeigt, dass wir mit zwei kleinen Israelfähnchen versuchten, den BIPoC-Block zu passieren, um in den vorderen Bereich der Demo zu gelangen. Dabei wurden wir von einem – nicht nur uns bekannten Antisemiten – als Hurensöhne beleidigt und angespuckt. Im danach entstehenden Tumult konnten wir nur durch die Hilfe von uns Unbekannten unbeschadet aus der Situation herauskommen. Hätten wir provozieren wollen und die Auseinandersetzung gesucht, wären wir sicherlich besser auf derartige Reaktionen vorbereitet gewesen. Der Angreifer trug übrigens eine Kuba-Fahne, was ebenso wenig wie sein antisemitischer Angriff als Grund gesehen wurde, ihn von der Demo zu verweisen. Wir haben uns in zwei Texten ausführlich zu diesen Vorwürfen geäußert und werden auch in naher Zukunft die Beweislage in Gänze veröffentlichen, um derartige Mythenbildung und Täter/Opfer-Umkehr als das zu entlarven, was sie sind: antisemitische Propaganda. Diese Propaganda wird von dem Statement von „Hutbürger:innenwatch Bremen“ erneut verbreitet, was die zahlreichen Bekenntnisse gegen Antisemitismus in etwa so glaubwürdig erscheinen lassen wie die eines Heiko Maas.


Es mag ein Zufall sein, dass dieses Statement ausgerechnet nach einem Raketenbeschuss, dessen Dimensionen selbst für israelische Verhältnisse historisch sind, veröffentlicht wird. Der Versuch, eine der wenigen aktiven israelsolidarischen Positionen aus der radikalen Linken in Bremen auszuschließen, spricht gerade zu einem derartigen Zeitpunkt Bände. Das Statement, welches einen „kontextlosen Antisemitismusvorwurf“ beklagt, liefert somit den notwendigen Kontext, um offenzulegen, wes Geistes Kind die Verfasser:innen sind. Es bestätigt sich der Verdacht, der uns bei der Mobilisierung gegen den Al-Quds-Autokorso bereits gekommen ist: dass selbst diejenigen, die sich angesichts von Querdenker:innen berechtigterweise gegen Antisemitismus positionieren, diese Position nur so lange aufrechterhalten, bis es eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Strukturen verlangte.
In diesem Sinne appellieren wir an alle Genoss:innen und auch Kritiker:innen, die ein Interesse an einer radikalen Bremer Linken haben, die solidarisch miteinander streiten kann und sich gemeinsam autoritären Ideologien entgegenstellt – egal, wer versucht, sie zu verbreiten – sich nicht auf diesen versuchten Rufmord einzulassen. In naher Zukunft werden wir noch einmal die hier und an anderer Stelle geäußerten Falschaussagen kommentieren und analysieren.


Bis dahin,
Gegen jeden Antisemitismus heißt Solidarität mit Israel,
Solarium (kommunistische Gruppe Bremen)


PS. Anders als im Statement behauptet, gab es von uns noch nie eine Analyse über „strukturellen Antisemitismus“ – stattdessen jedoch diese beiden Versuche, einen antisemitischen Angriff und die darauffolgende Selbstviktimisierung der Angreifer in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen:- https://atomic-temporary-146385930.wpcomstaging.com/2020/02/22/die-provokation-der-juedischen-existenz/- https://atomic-temporary-146385930.wpcomstaging.com/2020/03/28/die-provokation-der-juedischen-existenz-reloaded/

Freie Radikale: Coronabekämpfung – Gegen Kapital und seine Mutanten

Anbei veröffentlichen wir einen eingesendeten Text der Gruppe: Freie Radikale. Mehr Infos zur Gruppe auf www.freie-radikale.net .

Vor eineinhalb Jahren ist eingetreten, was – genau wie der drohende Klima-Kollaps – seit langem absehbar war: Die beispiellose Zerstörung intakter Ökosysteme führte zu einem viralen spillover und einer weltweiten Pandemie: Entwaldung, Wildtierhandel und Erderwärmung hatten wilde Tiere ihrer natürlichen Lebensräume beraubt, sie in engen Kontakt mit Menschen gebracht und ihre Krankheitserreger bekamen so die Chance, auf diese überzugehen. Nicht nur Covid-19, auch HIV, Ebola und das Zikavirus sind so entstanden. Die kapitalistische Vernutzung der Natur ist die Ursache dieser Pandemie und sie wird weitere hervorbringen.

Anders als z.B. die vietnamesische, australische oder kubanische Regierung erweisen sich die europäischen und viele andere Staaten als unfähig, angemessen auf diese Bedrohung zu reagieren. Sie führen vielmehr unbeirrt ihr Tagesgeschäft fort, das darin besteht, den kapitalistischen Verwertungsprozess mit auf Jahrzehnte angelegten Strategien zu befördern (etwa wenn es um den Zugang zu Rohstoffen, Förderung zukünftiger Technologien oder um die Eroberung wichtiger Märkte geht) und das dadurch verursachte Elend von Präsident*innen und anderen preiswerten Festredner*innen beweinen zu lassen. Sie gehen mit der Pandemie um, wie sie mit sozialen Katastrophen umzugehen gewohnt sind, und begannen dementsprechend erst zu handeln, als es für mehrere Tausend Menschen bereits zu spät war. Und auch dann setzen sie vor allem auf eine technische Antwort. Denn Impfstoffe und Intensivmedizin schützen und heilen nicht nur, sondern ermöglichen es der Pharmaindustrie auch, ihren Schnitt zu machen. Prävention und die Beseitigung der Ursachen stehen nicht auf ihrer politischen Agenda.

Insbesondere die deutsche Regierung versucht, die Pandemie fast ausschließlich durch Maßnahmen zu bekämpfen, die die Interessen der maßgeblichen Kapitalfraktionen der Exportindustrie nicht antasten: Geschäfte, Restaurants, Theater, Kinos, Clubs und Schulen wurden geschlossen, Bewegungsfreiheit und Privatleben drastisch eingeschränkt; Arbeiter*innen dagegen werden gezwungen, ihre Gesundheit in den Fabriken, Büros und öffentlichen Verkehrsmitteln aufs Spiel zu setzen, und wohnungslose Menschen mit dem Appell, sich in den eigenen vier Wänden zu schützen, verhöhnt. Wer sich auf der Straße oder bei der Arbeit infiziert, ist selbst schuld und selbst bei größeren Coronaausbrüchen in Fabriken wie z.B. bei VW in Hannover wird die Arbeit nur kurz unterbrochen. Diese Politik vermag gegen das Virus natürlich nur wenig auszurichten, belastet die oberen Schichten der Gesellschaft dafür aber kaum und die mittleren und unteren umso mehr; sie musste Widerstand provozieren.

Dass dieser Widerstand in Deutschland emanzipatorisch ausfallen sollte, war freilich kaum zu erwarten: Weil die Medien genauso zuverlässig schlecht über erfolgreiche Pandemiebekämpfung in anderen Ländern wie über das Leiden in den hiesigen Krankenhäusern informieren, unterschätzen viele die Krankheit und wissen nicht, dass sozialere und wirksamere Maßnahmen möglich wären. Außerdem bringt der herrschende Konkurrenzdruck eine „No risk no fun“-Mentalität und eine Unfähigkeit zur Empathie hervor. Die Wut, die sich in den Protesten gegen die Coronamaßnahmen Bahn bricht, ist daher blind und von Todesverachtung, nämlich von einer Missachtung des eigenen Lebens und desjenigen der Anderen geprägt; die Proteste konnten zum Spielfeld irrationaler, antisemitischer und anderer rechtsextremer Verschwörungstheorien werden.

Diese Art von Protest kommt der Regierung gerade recht. Der rechte Wahnsinn bietet ihr einerseits die Möglichkeit, sich als regulierende Vernunft aufzuspielen, und gibt andererseits ihrer Missachtung wissenschaftlicher Prognosen und Sabotage von Maßnahmen, die tatsächlich wirksam wären, willkommene Rückendeckung. Der freundschaftliche Umgang der Polizei mit den Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen drückt nicht nur die privaten Neigungen einzelner Polizist*innen aus.

Nachdem es lange so aussah, als müsste die Linke mit antifaschistischen Aktionen die herrschende Politik gegen die Corona-Leugner*innen verteidigen, befindet sie sich nun wieder in offenem Widerspruch gegen die Regierung. Mit der Zero-Covid-Kampagne haben radikalreformerische Forderungen eine breitere Öffentlichkeit gefunden. Auch wir treten für einen solidarischen Lockdown, die Freigabe der Impfstoffpatente und bessere Ausstattung und Entlohnung im Gesundheitssystem ein.

Wir finden solche Forderungen aber nur sinnvoll, solange sie in taktischer Absicht vorgebracht werden und die strategische Orientierung auf die Überwindung von Staat, Nation und Kapital nicht aus dem Blick gerät. Denn es ist der kapitalistische Konkurrenzkampf, der die Unternehmen – bei Strafe der Pleite – zwingt, ihre Profitinteressen gegen alle andern Unternehmen und gegen die von ihren Lohnzahlungen abhängigen Menschen durchzusetzen und gegen jede Vernunft die menschlichen und natürlichen Ressourcen bis zur Erschöpfung zu plündern. Solange noch nicht alle wilden Tiere ausgestorben sind, wird dies zu immer neuen spillovers und pandemischen Wellen führen. Alle Maßnahmen gegen die Pandemie müssen nutzlos bleiben, solange nicht der auf der Natur lastende kapitalistische Verwertungsdruck beseitigt ist.

Eine solidarische Gesellschaft, in der an die Stelle des Herrschaftsinstrumentes Staat eine Form gleichberechtigter Koordination und Organisation treten würde, wäre nicht nur in der Lage, auf eine bereits entstandene Pandemie besser zu reagieren. Sie ließe sich beim Kampf gegen ein Virus nicht von den kurzfristigen und partikularen Interessen einer herrschenden Klasse ablenken, sondern würde rechtzeitig alle Ressourcen auf die Abwehr verwenden und könnte Medikamente und Impfstoffe allen gleichermaßen und kostenlos zur Verfügung stellen. Nur eine Gesellschaft, in der die Ware-Geld-Beziehung und die Profitorientierung aufgehoben sind und deren maßgebliche Triebkraft nicht mehr die Kapitalverwertung ist, wird auch verhindern können, dass sich solche Pandemien wiederholen und die Klimakrise ungebremst fortschreitet. Erst die befreite Gesellschaft kann die reflektierten Bedürfnisse der Menschen befriedigen und Menschheit und Natur aus ihrem Status als bloßem auszubeutenden Arbeitskräfte- und Rohstoffreservoir emanzipieren.

freie radikale – die verhältnisse zum tanzen bringen, Berlin

What other Germany?

Dieser Text wurde ursprünglich als Diskussionsbeitrag für eine angestrebte Reflexion des sogenannten Antifa-Sommers in einer Zeitschrift gegen die Realität geschrieben. Er bezieht sich bewusst auf unseren Jungle World Artikel vom letzten Jahr und wurde seit dem Sommer 2020 nicht mehr bearbeitet.

»Das deutsche Volk wird kämpfen, bis es die Niederlage spürt. Wenn es soweit ist, wird niemand mehr unschuldig sein. Sie werden alle kommen und sagen: ›Wir waren dagegen.‹ Das ist der entscheidende Punkt, dem wir uns stellen müssen, und wenn wir daran scheitern – was keine schöne Vorstellung ist –, dann steht vielleicht ein neuer Krieg bevor: ein Krieg, aus dem niemand außer dem ›gutwilligen deutschen Anti-Nazi‹ lebend herauskommen wird.«
– Walter Loeb1

Was vor 20 Jahren im sogenannten Antifa-Sommer zur Staatsdoktrin der Berliner Republik wurde, war die Mär vom anderen Deutschland. Eine Erzählung, die schon zu Zeiten des Londoner Exils deutscher KommunistInnen und SozialdemokratInnen geprägt wurde. Mittlerweile hat die deutsche Erinnerungspolitik die militärische Niederlage in einen moralischen Sieg verwandeln können. Die Kinder und Enkel der Volksgemeinschaft, die nur mit äußerster Härte an ihrem mörderischen Treiben gehindert werden konnte, werfen die Erblast gekonnt ab und inszenieren sich werbewirksam als Nachkommen eines antifaschistischenDeutschlands. Diese Bewegung kulminiert in einem staatstragenden Antifaschismus der Zivilgesellschaft, in dem der 8. Mai als Tag der Befreiung zum Nationalfeiertag erhoben werden soll, ganz so, als wäre man nicht jene Nation, von der die Welt zumindest kurzzeitig befreit worden ist.2 So sehr die Kritik deutscher Erinnerungspolitik zum festen Bestandteil des linksradikalen Einmaleins geworden ist, so wenig wurde die eigene Rolle und Abkehr von der Militanz des revolutionären Antifaschismus in den Fokus gerückt. Doch der Antifa-Sommer und die daraus resultierende zivilgesellschaftliche Politik der Berliner Republik sind einer von vielen Belegen, wie sich eine radikale Linke erfolgreich in das kapitalistische Staatswesen hat domestizieren lassen.3

Das andere Deutschland als Herrschafts-Legitimation

Es gehört zum linksradikalen Allgemeinwissen, dass es bei staatlicher Aufarbeitung der Vergangenheit im Besonderen um gegenwärtige Interessen geht. Was sich im Begriff der Gedenkpolitik widerspiegelt, ist die von Walter Benjamin schon zur Zeit des Nationalsozialismus denunzierte Tatsache: »auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein«4. In einer staatlich-verfassten Welt darf es nicht verwundern, dass Staaten versuchen, ihre Legitimation aus der Geschichte zu ziehen: Niemand hat mehr als eine Fortsetzung der Herrschaft zu erwarten. Dass die Geschichte der Erschlagenen nur als Beute der Herrschenden denkbar ist, folgt dieser brutalen Logik. Das sollte niemals außer Acht gelassen werden, wenn über staatliches Gedenken gesprochen wird. Nicht zuletzt gilt das für die zahlreichen linken Oppositionsparteien, auf die so manche in Zeiten der AfD ihre antifaschistischen Hoffnungen setzen.5 Wie schon Karl Marx anmerkte, sind diese als Regierungsparteien im Wartestand zu begreifen, deren Wirken sich nie gegen die Herrschaft und Gewalt als solche richtet, sondern immer nur gegen das aktuelle Regierungspersonal. Die Opposition strebt nicht danach mit der Instrumentalisierung der Toten zu brechen, von der Benjamin sprach. Ihr geht es um eine inhaltliche Verschiebung. Exemplarisch zeigte das die deutsche Sozialdemokratie nach 1918,6 die den Klassenkampf als potenziellen Sieg und nicht als Notwendigkeit das Siegen an sich zu beenden sah, in großer Regelmäßigkeit.

Im Londoner Exil der frühen Vierzigerjahre bewies die deutsche Sozialdemokratie, was realpolitischer Gehalt der geschichtsphilosophischen Überlungen Benjamins war, die zur gleichen Zeit in Paris entstanden. Unmöglich war es ersterer zu großen Teilen, dem deutschen Volk – das aus parteipolitischer Sicht aus potenziellen Wählern bestand – eine Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus zu geben. Wie 1914 schickte man sich an zu beweisen, dass deutsche ProletarierInnen sehr wohl ein Vaterland hätten. Das schöne Gerede von Solidarität wurde bereitwillig auf dem Altar der nationalen Sache geopfert. Wie alle Altklugen hielt man diese Aufgabe der jugendlichen Radikalität für einen Beweis der eigenen Reife. (Das haben Ex-Linksradikale immer gemeinsam, ob sie nun in den zwanziger Jahren kämpfende KommunistInnen oder in den neunziger Jahren militante Antifas waren.) Mit aller Kraft nahm die deutsche Exil-Sozialdemokratie den nationalen Kampf gegen jene Minderheit von ExilantInnen auf, die bereit waren, das Vaterland für das Wohle der Menschheit zu verraten und dabei gemeinsam mit nicht-deutschen Politikern wie dem tschecho-slowakischen Exilpräsidenten Edward Beneš7 oder dem britischen Premierminister Winston Churchill radikal gegen die durch Massenvernichtung zum Behemoth synthetisierte Volksgemeinschaft agitierten.

Während für jene der bedingungslose Antifaschismus als Gebot der Stunde erkannt wurde, konstruierten ihre damaligen GenossInnen fleißig den Mythos vom anderen Deutschland, das lediglich von einigen wenigen Nazis verführt wurde und nur noch befreit, aber sicher nicht umerzogen werden müsse. Die radikalen und antideutschen AntifaschistInnen sahen keine Möglichkeit, innerhalb der Sozialdemokratie etwas zu bewegen. Sie schlossen sich zur FightForFreedom-Gruppe zusammen und arbeiteten zunächst mit konservativen britischen Kräften zusammen, auch weil die britische Sozialdemokratie sich gegen das Behaupten einer deutschen Kollektivschuld wehrte.8 Die Gründungsresolution der FightForFreedom-Gruppe definierte den Unterschied zwischen »jenen, die das nationale Interesse und die Interessen des deutschen nationalen ‹Sozialismus› über Erwägungen der internationalen Gerechtigkeit und über die gemeinsamen Interessen aller Völker – heute namentlich über die Interessen der vergewaltigten Völker – stellen und jenen, deren Anschauungen und Politik den nationalistischen Strömungen nicht unterworfen sind, und die sich Sinn für politische Gerechtigkeit erhalten haben.«.9

Nach der militärischen Niederlage des Nationalsozialismus wurden die von den Alliierten besetzten Gebiete in die bis Ende der Achtziger die Weltpolitik dominierende Blockkonfrontation des Kalten Krieges eingegliedert. Die mit der Verdopplung Deutschlands einhergehende Hoffnung, dass zwei Staaten weniger deutsch wären als einer, entpuppte sich als eklatante Fehleinschätzung. Während in der BRD die Verfolgung der Nationalsozialisten peu à peu eingestellt wurde und stattdessen die Partei der KommunistInnen und ihre SympathisantInnen gejagt wurden, verhängte die Staatsführung der DDR ein Verbot der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und integrierte ehemalige Nationalsozialisten wie Curt-Heinz Merkel in den Staatsapparat. Auf beiden Seiten der Mauer verloren die nationalsozialistischen Verbrechen und ihre Aufarbeitung angesichts der Blockkonfrontation an Bedeutung und spielten nur noch im Kontext einer Delegitimierung der gegenüberliegenden Seite eine Rolle. Jede Seite sah sich als Nachfahr des im Exil entdeckten anderen Deutschlands und wies jede Schuld am Nationalsozialismus von sich. Stattdessen sah man dessen Fortwesen entweder im totalitaristischen Osten oder imperialistischen Westen. Beiden galt die eigene Bevölkerung zügig als demokratisiert, wobei weder Reeducation in der BRD noch der verordnete Antifaschismus in der DDR wirklich Früchte getragen haben.

Weder SED noch SPD setzten sich mit dem Scheitern der deutschen Arbeiterbewegung im Abwehrkampf gegen die Nationalsozialisten auseinander. Der Sozialdemokrat Kurt Schumacher verteidigte die Deutschen vehement gegen eine Kollektivschuld, welche angeblich von den Alliierten kolportiert würde. Wie ein Beserker stand der bekennende Lassalleaner der Bevölkerung in ihren Bemühungen, die eigenen Verstrickung zu leugnen, bei. Anstatt den Kampf vieler SozialistInnen und SozialdemokratInnen in den Vordergrund zu stellen, setzte sich 1951 die Parteiführung um Schumacher bei den Alliierten dafür ein, dass 28 in Nürnberg von den Alliierten zum Tode verurteilten führenden Nationalsozialisten begnadigt werden. Im „besseren“ Deutschland klammerte man sich derweil an antifaschistische Superhelden wie den heimattümelnden Stalinisten Ernst Thälmann, während tatsächlich militante Antifaschisten wie Georg Elser in der Aufarbeitung des Widerstandes keinerlei Rolle spielten. Der systematische Versuch der Vernichtung des europäischen Judentums durch die Nationalsozialisten galt als Kollateralschaden eines aggressiven Nationalismus. Dies spiegelte sich z.B. in der Aufteilung in Kämpfer gegen den Faschismus und Opfer des Faschismus wider. Mitglieder beider Arbeiterparteien und ihrer Vorfeldorganisationen galten als wackere StreiterInnen gegen den Nationalsozialismus. Als Opfer wurden zumeist nur Juden eingeordnet. Mit dieser selektiven Geschichtsschreibung konnte die SED ein weiteres Problem umgehen: Ihr eigenes Versagen als Arbeiterpartei vor 1933, das sinnlose Verheizen von zehntausenden ParteigenossInnen in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft musste nicht zur Sprache kommen.

Neues Deutschland? Die Berliner Republik

Am 8. Mai 1985 begann mit der Rede von Richard von Weizäcker die Verschiebung der Erinnerung im westlichen Deutschland, die mittlerweile das offizielle Gedenken und die Publikationen des zivilgesellschaftlichen Antifaschismus bestimmt: Der 8. Mai sollte als Tag der Befreiung gewürdigt werden. Es gingen mehrere Jahre ins Land, bis das politische Establishment der Berliner Republik vollends »den Mehrwert des Schuldbekenntnisses«10 erkannt hatte. In dieser Hinsicht überlebte die Bonner Republik – in Gestalt von Helmut Kohl – die DDR um ganze acht Jahre. 1995, zehn Jahre nach der Rede von Weizäckers, erklärte der ewige Kanzler: »Niemand hat das Recht festzulegen, was die Menschen in ihrer Erinnerung zu denken haben«.11 Was der hellsichtige von Weizäcker besser als Kohl verstand und was Alexander Gauland nur mit dem Verrat an seinem Traum von einer Volkssouveränität akzeptieren kann, ist nicht weniger als die Wiedergeburt der deutschen Volksgemeinschaft nach dem Nationalsozialismus. Es war die Rehabilitierung der durch die Geschichte gänzlich verdreckten Ideen von Familie und Heimat als schützende Kollektive. »Beide nämlich«, so Uli Krug, »salviert das geläuterte Deutschland, bereinigt sie vom Makel der Vergangenheit, nicht, indem es sie verschweigt, sondern indem es in ihr schwelgt, narrativiert und personalisiert.«12 Wie sehr die Volksgemeinschaft der Berliner Republik unter etablierten Parteien Konsens geworden war, zeigte nicht zuletzt das Aufkommen einer Partei, die sich, und das für viele Wähler scheinbar glaubwürdig, als fundamentale Alternative gegenüber jenem Konsens präsentieren kann.

Die AfD muss gegen die Berliner Republik und von Weizäcker mobilisieren, weil ihre Konzeption einer Volkssouveränität nicht mit einer postnazistischen Volksgemeinschaft denkbar ist, die in die Institutionen des Parlamentarismus eingehegt wurde. Denn die »Ausstellung der Schande« (Martin Walser), durch die sich die Berliner Republik als geläuterter Global Player inszeniert, belegt, dass das Volk als solches fehlbar ist und eines demokratischen Rahmens bedarf. Genau dieser künstliche Rahmen, das von den Vereinigten Staaten auferlegte System des Rechts, steht über dem Lebhaften des Politischen – wie es von Carl Schmitt und seinen Anhängern gedacht wird. Auch die CDU der Bonner Republik und Helmut Kohl konnten mit der »List der Vernunft« (Hegel), die im Erlangen eines Sieges durch die Akzeptanz einer Niederlage steckt, wenig anfangen. Erkannte sie doch, dass die Erinnerungen der Bevölkerung – insbesondere der eigenen Wählerschaft – an den 8. Mai noch viel zu lebhaft und die erlebte Trauer über die brutale Zerschlagung des eigenen mörderischen Traums zu tiefgreifend war, als sie ernsthaft daran denken konnten, Oma, Opa oder Hans-Peter glauben zu machen, dass man befreit worden wäre. Die CDU der Bonner Republik wusste sehr gut, dass Saul Friedländer mit seinen Beobachtungen aus dem Jahre 1945 Recht hatte. Sie bedienten ihr ex-nazistisches und ihr ins Private gekehrtes Klientel so gut es ging, indem beispielsweise der Traum von der Eroberung Moskaus, eingebettet in das „Sternen und Streifen Banner“, weiterleben konnte.

Als im November 1989 die Mauer fiel und im Schnellverfahren die ehemalige SBZ an die Bundesrepublik angeschlossen wurde, offenbarten sich die unter Westbindung und Sowjettreue fortwesenden Kontinuitäten in Städten wie Solingen, Mölln, Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda. Fortan nahm es die radikale Linke selbst in die Hand. Ob in Recherche- oder Sportgruppen, stets wurde dem pädagogischen Verständnis ihre Strategie des Dialogs entgegengehalten: »Was wir reichen sind geballte Fäuste, keine Hände.«13 Die Selbstorganisation jenseits von Parteien wurde durch bundesweite Organisationen und lokale Hochburgen postautonomer Strukturen ermöglicht: ein militantes Netzwerk, das sich erfolgreich dem Zugriff des Staates entzog. Fast ein Jahrzehnt konnte der revolutionäre Antifaschismus sich als linksradikale Praxis abseits von ostalgischem ML-Kitsch und mit explizit artikulierter Staatsferne etablieren, um gegenüber Deutschland und seinen Nazis – im wahrsten Sinne des Wortes – schlagkräftig, autonom und handlungsfähig zu bleiben. Doch alles war, wie so viele linksradikale Bewegungen, nur von kurzer Dauer.

Der Antifa-Sommer 2000 und der damit einhergehenden Etablierung der Berliner Republik als antifaschistischer Gedenkweltmeister, das Aufkommen des Rechtspopulismus und -extremismus in ehemals von Deutschland besetzten Ländern bzw. in Ländern, die gegen den Nationalsozialismus kämpften, führten zu einer Verschiebung der Wahrnehmung. Die gezielte Tötung von Kaukasiern auf offener Straße in Moskau durch russische Neonazis, das Aufkommen des Front National, der Versuch der Islamischen Republik Atombomben herzustellen, die gesellschaftliche Ausgrenzung der Sinti und Roma in Osteuropa, die Wahl von George W. Bush jr. oder die tiefgreifende Ablehnung von Homosexualität im katholischen Polen verführten zur irrigen Annahme, dass zumindest bestimmte Regionen Deutschlands eine Oase des Glücks darstellen, zu dessen Verteidigung die kategorische Staatsferne aufgegeben werden konnte. Dass diese angebliche Liberalität zu einem großen Stück einer wirtschaftlichen Situation geschuldet war, die nur dank der großzügigen Hilfe der US-Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht wurde und in Krisenzeiten stets als Erstes vom postnazistischem Staat und seinem Volk geopfert würde, wurde verdrängt.

Bereits zwei Jahre nach dem als Aufstand der Anständigen ausgerufenem Antifa-Sommer konstatierte das Antifaschistische InfoBlatt (AIB): »Der rechte Rollback auf allen Ebenen trifft viele unabhängige Antifas unvorbereitet.« Das Fachmagazin, dessen ästhetische Nähe zur Militanz ihm den zivilgesellschaftlichen Erfolg von Der Rechte Rand bis heute verwehrt, sah die antifaschistische Bewegung durch den Zusammenbruch der überregionalen Organisierung als »dramatisch geschwächt« an. Die Redaktion stellte nüchtern fest, dass »subjektive, alle Sicherheitskriterien und Ideen von Kollektivität außer Acht lassende Aktionsbeschreibungen z.B. bei Indymedia ein schlechter Ersatz für gemeinsame, überregionale Diskussionen, Analysen und durchdachte Kampagnen« seien. Vor allem die »Streicheleinheiten der Zivilgesellschaft« und das Offenlegen von Strukturen, »die nicht an die Öffentlichkeit gehören« wurden als Todeskuss einer Bewegung gesehen, deren cleverer Teil das kleine Schwarze nach dem Studienabschluss erfolgreich gegen ein Sakko tauschen konnte und nun erfolgreich in Zivilgesellschaft macht. Die Floskel »Antifa in der Krise«, dass verrät ein kurzer Blick in das Archiv des AIB, ist seitdem in der Publikation häufiger zu finden.14

Das AIB erkannte, anders als es das notwendig falsche Bewusstsein der berufstätigen Ex-Linksradikalen zulassen könnte, dass die Zivilgesellschaft nicht als anti-staatlicher Akteur, Arbeitgeber oder Kooperationspartner einer linksradikalen Bewegung zu sehen ist. Sie ist vielmehr als gegensouveränistische Verlängerung des Staates zu verstehen, die einen Beitrag zur Konstitution der deutschen Souveränität leistet.15 Die Zivilgesellschaft ist selbst verstaatlicht, denkt in den vom Staat gesetzten politischen Kategorien des Rechts und greift dem Staat dort unter die Arme, wo dieser seit der rot-grünen Entschlackungskur selbst nicht mehr aktiv werden kann oder will, was sich besonders im ehrenamtlichen Engagement äußert. Natürlich steht die Zivilgesellschaft nicht Seite an Seite mit dem Verfassungsschutz oder der Polizei, aber gerade durch diesen synthetisierten Widerspruch von Freiheit und Zwang konstituiert sich die deutsche Souveränität und die Legitimation durch Partizipation der Bevölkerung. Wenn sich die Zivilgesellschaft einmal zur Polizeikritik hinreisen lässt, dann bewegt sich diese auf einer rein inhaltlichen Ebene der Ausgestaltung des staatlichen Gewaltmonopols, wodurch die Existenz der Gewalt bereits verdrängt und der Staat fetischisiert wurde. Nicht nur sorgt die Zivilgesellschaft so für ein ruhiges Hinterland, welches ein außenpolitisch umtriebiger deutscher Staat dringend benötigt. Sie leistet auch die Resteverwertung einer sich einst revolutionär gebärdenden Jugendbewegung und ihrer wichtigsten Protagonisten. Die #Antifa ist staatstragend geworden und hat sich mit der Polarisierung der Gesellschaft durch die AfD auf die Seite von Weiszäckers, der Berliner Republik und des postnazistischen Sozialpakts geschlagen. Als Alexander Gauland daran erinnerte, dass das deutsche Volk am 8. Mai eine Niederlage erlangte, wurde dies in den sozialen Medien mehr als deutlich.

Nationalfeiertag oder Staatskritik

Denen, die sich mit diesem Label ins politische Geschäft begeben und mit dem Slogan Wer nicht feiert, hat verloren das Ablassgeschäft mit der deutschen Kollektivschuld ritualisiert haben, kam Gaulands Äußerungen gelegen, um die eigene politische Agenda voran zu treiben. Die Forderung? Der Tag der Befreiung solle zum Nationalfeiertag werden, wodurch sich eine ganze Nation als Gemeinschaft von WiderstandskämpferInnen und ihren Nachfahren inszenieren, gleichzeitig das Erbe des NS auf das dunkle Deutschland und seine blaue Partei abgespalten werden könne. Die Diskrepanz zwischen denen, die 1945 befreit wurden, und denen, die als Teil der deutschen Nation diese Befreiung feiern, ist himmelschreiend. Als Testemonial für diese Kampagne kürten sie die Holocaust-Überlebende und bekennende Antizionistin Esther Bejarano. Der mit dieser Entscheidung einhergehende Verrat an jenem Land, das als einziges der Welt die richtigen Konsequenzen aus dem Nationalsozialismus zog und noch heute dafür sorgt, dass Juden niemals wieder unbewaffnet ihren Peinigern gegenüberstehen sollen, ist den Adepten des deutschen Antifaschismus nicht einmal aufgefallen.

Mit der Forderung eines Nationalfeiertages ist man endgültig erwachsen geworden. Man hat die eigene Militanz als »linksradikale Kinderkrankheit« (Lenin) erfolgreich kuriert. Während der autonome Aktionismus zur Jugendsünde oder dem Erwerb von soft skills herabgewürdigt wird, hat man Staatskritik erfolgreich in eine materialistische Staatstheorie und damit zahnlose akademische Disziplin verwandelt. Der Abgesang auf das Konzept des revolutionären Antifaschismus war die Grundlage für eine erfolgreiche Integration in die wiedergutgewordene Zivilgesellschaft, als deren human ressources und brainpool sich die einstigen Antifas heute sehen.16 Zwang einen die praktische Militanz zur Staatsferne, hat man mittlerweile das Prinzip Georg Elser ausgerechnet gegen den Antifaschismus von KPD und SED getauscht, von dem jener so bitter enttäuscht wurde. Indem man gegen AfD und für Nationalfeiertage breite Bündnisse schmiedet und die Einheit eines aufrechten, guten, anständigen und anderen Deutschlands beschwört, unterscheidet man sich im Konformismus nicht mehr von den marxistisch-lenistischen Traditionslinken, gegen die man als Jugendbewegung aufbegehrte. Letztere übrigens haben in Gestalt der DKP der breitgefächerten Bündnispolitik von einst eine strikte Absage erteilt. Wenn man Nie Wieder sagt, dann dünkt man sich heute noch bedeutend klüger als jene mit ihrem Nie wieder Krieg. Doch wie der Marxismus-Leninismus hat man selbst seinen Frieden mit dem deutschen Staat gemacht. Die #Antifa-Haltung erinnert nur noch vom Namen her an ihren Ursprung. Sie ist notwendig falsches Bewusstsein all jener, die in der Zivilgesellschaft oder den deutschen Parteien ihr Geld verdienen, den karrieretechnischen Bedürfnissen entsprechend zurechtgestutzt worden sind.

Dass die breite Kampagne für den Nationalfeiertag auf wenig bis gar keine Resonanz stieß, zeigt vor allem eins: Der deutsche Staat hat es nach dem Antifa-Sommer 2000 und dem Willkommens-Sommer 2015 längst nicht mehr nötig, international zu Kreuze zu kriechen. Ohne dass es allzu große Aufmerksamkeit erzeugen würde, kann mittlerweile frei von der Leber weg Israel für sein nationalistisches und egoistisches Gedenken an die Shoah kritisiert werden. Ganz so, als wäre die Notwendigkeit eines nationalen Egoismus der Juden nicht die einzig mögliche Antwort auf einen allgegenwärtigen Antisemitismus in einer Welt von Staat und Kapital. Dieser Aufstieg Deutschlands, vom Juniorpartner der USA zum Hegemonen innerhalb Europas, verlief nicht gradlinig, erst recht nicht reibungslos, führte letztlich aber zum Erfolg. Der dritte Griff zur Weltmacht der vor 75 Jahren besiegten Volksgemeinschaft wird kaum auf militärische Mittel zurückgreifen.17 Niemand begeht dreimal denselben Fehler. Der Krieg der deutschen »Anti-Nazis«, von dem Walter Loeb im Eingangszitat sprach, wird mit friedlichen Mitteln geführt. Er zielt direkt auf das Herz der Bestien. Im Bündnis mit Schurkenstaaten wie der Islamischen Republik Iran, autoritären Regimen wie Russland und atheistischen Diktaturen wie der Volksrepublik China robbt sich Old Europe unter Führung Deutschlands langsam, aber sicher an der Hegemonialmacht USA vorbei.

1 Walter Loeb: Deutsche Propagandisten in Curt Geyer, Walter Loeb u.a. : Fight for Freedom – die Legende vom anderen Deutschland. Freiburg, 2009, 95-104, hier 103.
2 Ausführlicheres zum staatstragenden Antifaschismus siehe: Redaktion Antideutsch.org: Antifa heißt nicht Zivilgesellschaft in Jungle World 2020/26.
3 In der Regierungsperiode von Rot-Grün 1998-2005 betrifft dies verschiedene Generation des linksradikalen Protestes. Neben den ehemaligen Spontis, die nun auf den Regierungsbänken Platz nahmen, waren es ehemalige Antifas und Autonome, die die neugeschaffenen Stellen innerhalb der Zivilgesellschaft annahmen. Beide Generationen folgten so dem unsäglichen Diktum: Wer mit 19 kein Revolutionär ist, hat kein Herz. Wer mit 40 immer noch ein Revolutionär ist, hat keinen Verstand.
4 Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte (Werke und Nachlass Band 19), Berlin, 2010, 96.
5 Siehe dazu: The Future is Unwritten: Gestern radikal – heute Landtagswahl in konkret2019/09. Online: https://www.unwritten-future.org/index.php/gestern-radikal-heute-landtagswahl/
6 Mit Willy Huhn ließe sich argumentieren, dass in der deutschen Sozialdemokratie 1918 gar kein Umschwung gegen die Revolution stattgefunden habe und die Parteielite weder ein ernsthaftes Interesse an der Marxschen Kritik noch an revolutionären Erhebungen hatte. Als Belege führt er dazu nicht nur die nationalistische Positionierung 1914 an, sondern deren generelle auf die staatliche Politik ausgerichtete Struktur. Siehe dazu: Willy Huhn: Der Etatismus der Sozialdemokratie – Zur Vorgeschichte des Nazifaschismus. Freiburg, 2003.
7 Näheres zur Rolle von Beneš im Londoner Exil: Florian Ruttner: Pangermanismus – Edvard Benes und die Kritik des Nationalsozialismus. Freiburg, 2019.
8 Zur FightForFreedom-Gruppe siehe: Geyer et al. 2009. Darin befindet sich auch eine historische Einordnung durch Jan-Georg Gerber und Anja Worm.
9 Fritz Bieglik, Curt Geyer, Carl Herz, Walter Loeb, Kurt Lorenz & Bernhard Menne: Der Kampf gegen den Nationalismus in der deutschen Arbeiterbewegung muß von vorne begonnen werden. Erklärung der Fight-for-Freedom-Gruppe vom 2. März 1942 in: Geyer et al. 2009, 65-70, hier 67.
10 Uli Krug: Böser Adolf, guter Richard in Bahamas 71/Sommer 2015.
11 Zitiert nach: ebenda.
12 Ebenda.
13 Brothers Keepers: Adriano (Letzter Warnung).
14 Alle Zitate im vorherigen Absatz aus: Antifa in Bewegung. In Antifaschistisches Infoblatt 56/02.2002. Online: https://www.antifainfoblatt.de/artikel/antifa-bewegung
15 Hier ist der aktuellen Blattlinie der Bahamas explizit zu widersprechen, wenn sie die Zivilgesellschaft für ein Untergraben der Souveränität kritisiert und sich im politischen Spiegelspiel auf die Seite des Souveränismus schlägt. Ausführlicheres dazu: Redaktion Antideutsch.org: Clash of what…? Online: https://antideutschorg.wordpress.com/2019/05/21/europwahl/
16 Wie sehr ehemalige AntifaschistInnen in der Zivilgesellschaft angekommen sind, zeigt sich, wenn in öffentlich-rechtlichen Medien über Antifa gesprochen wird und dabei Beschäftigte des akademischen Betriebs zu Wort kommen, deren Themenwahl und Alter zumindest Berührungspunkte mit dem militanten Antifaschismus der Neunziger nahelegen. Beim Deutschlandfunk wird zum Beispiel offen ausgesprochen, was hier polemisch formuliert wurde: »Viele professionell und halbprofessionell arbeitende Fachjournalistinnen texten für Internetseiten und soziale Medien. Es gibt etablierte Archive, Vereine, die aus antifaschistischen Strukturen hervorgegangen sind.« (Schnee, Philipp: Zwischen Engagement und Gewalt. Online: https://www.deutschlandfunk.de/mythos-antifa-zwischen-engagement-und-gewalt.724.de.html?dram:article_id=463089 )
17 Lesenswert dazu: Ilka Schröder (Hg.): Weltmacht Europa – Hauptstadt Berlin? Hamburg, 2004.